Wie Kampfjets der Ukraine helfen würden
Immer mehr? Kaum ist die Entscheidung für die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine gefallen, bringt Kiew die Forderung nach westlichen Kampfjets wieder auf den Tisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Für die Befreiung ihrer von Russland besetzten Gebiete setzt die Ukraine nicht nur auf Kampfpanzer aus Deutschland, den USA und anderen Staaten.
Zur Unterstützung einer geplanten Offensive fordert sie auch Kampfjets vom Westen. Für Russland würde das, wie es in Moskau heisst, «nichts Gutes» bedeuten. Zu den möglichen Lieferungen einige Fragen und Antworten:
Welche Typen von Kampfflugzeugen will die Ukraine?
Die Ukraine hat im Gegensatz zu der klaren Forderung bei Kampfpanzern keine einheitliche Linie, wenn es um die Kampfjets geht. Vizeaussenminister Andrij Melnyk erwähnte faktisch alle bekannten Flugzeugtypen wie die US-amerikanischen F-16, F-35, die europäischen Entwicklungen des Eurofighters und der Tornados, die französischen Rafale und schwedische Gripen. Vor allem aber dürfte es um die F-16 gehen.
Die USA haben umfangreiche und überzählige Bestände an älteren Kampfflugzeugen – inklusive eines grossen Flugzeug-Schrottplatzes auf der Luftwaffenbasis Davis-Monthan in Arizona, wo Militärmaschinen ausgeschlachtet werden. Bei den älteren Flugzeugtypen wie F-15 oder F-16 sowie F-10 («Warzenschwein») könnte es wohl möglich sein, die Instandsetzung auf dem freien Markt einzukaufen. Ersatzteile sind in grosser Zahl vorhanden. Grundvoraussetzung ist die Ausbildung.
Wie begründet die Ukraine ihre Forderung nach Kampfjets?
Kriegsziel der Ukraine ist die komplette Befreiung des von Russland besetzten Staatsgebiets – einschliesslich der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim. Für einen effektiven Vormarsch der demnächst von westlichen Kampfpanzern gestärkten Bodentruppen müssen diese idealerweise von der Luftwaffe unterstützt werden. Aufgrund der weiter funktionierenden ukrainischen Flugabwehr setzt Russland eigene Jets nur begrenzt in Frontnähe für Bombardements ein.
Im Krieg gelingt es beiden Seiten immer wieder, gegnerische Flugzeuge abzuschiessen. Berichte über direkte Luftkämpfe zwischen ukrainischen und russischen Kampfjets gab es nur in den ersten Kriegstagen. Westliche Jets könnten hier vor allem Lücken schliessen helfen. Doch die Rückerlangung der Lufthoheit wäre auch nach der Lieferung Dutzender Kampfjets aus dem Westen nicht zu erwarten. Das wäre nur möglich, wenn die russischen Flugabwehrsysteme komplett ausgeschaltet werden.
Womit kämpfte die ukrainische Luftwaffe bisher?
Vor dem Krieg hatte die Ukraine den Londoner Analysten des International Institute for Strategic Studies zufolge etwa 110 einsatzfähige Kampfflugzeuge. 70 davon Jagdflugzeuge des sowjetischen Typs Mig-29 und Suchoi 27. Dazu noch 45 Suchoi 25 und 24 zur Bekämpfung von Bodenzielen. Während des Krieges soll Kiew den Waffenanalysten der Investigativgruppe Oryx zufolge weitere 18 Suchoi 25 aus verschiedenen Quellen erhalten haben. Polen lieferte zudem Medienberichten nach bereits Mig-29 in Einzelteilen, und auch die Bundesregierung steuerte Mig-29-Ersatzteile bei. Das russische Militär will dabei bereits mehr als das Dreifache aller real vorhandenen ukrainischen Flugzeuge abgeschossen haben.
Die westlichen Unterstützer der Ukraine haben inzwischen umfangreiche und schwere Waffen für den Kampf am Boden und zur Flugverteidigung geschickt. Abwehrsysteme wie Patriot und Iris-T wirken überaus effektiv gegen feindliche Flugzeuge, Raketen und Drohnen und dies 24 Stunden am Tag – und schützen doch nur auf einen gewissen Umkreis des eigenen Standortes. Anders Kampfflugzeuge, die zum Schutz grosser Regionen geeignet sind, wenn auch nur für beispielsweise eineinhalb Stunden pro Flug.
Was bedeutet eine mögliche Lieferung für den Kriegsverlauf?
Mehr noch als zur Überwachung und dem Schutz gegen Angriffe können Kampfflugzeuge als sogenannte Luftnahunterstützung in Kämpfe am Boden eingreifen. Und mehr noch: Sie ermöglichen es, die Kraftquellen («center of gravity») des Gegners anzugreifen. Die Ukraine wäre befähigt, Nachschubwege, Aufmarschgebiete, Treibstofflager und strategische Ziele Russlands zu zerstören. Spätestens da – so befürchten einige – wird politisch gefährlich, was im Sinne der Selbstverteidigung nicht verboten scheint.
Russland würde die Lieferung von Kampfjets als weiteren grossen Schritt sehen für die von Moskau ohnehin seit langem behauptete direkte Beteiligung des Westens an dem Konflikt in der Ukraine. Der für Rüstungsfragen zuständige russische Diplomat Konstantin Gawrilow sagte im russischen Staatsfernsehen, dass die Jets das Kampfgebiet geografisch vergrössern würden. Das bedeute «nichts Gutes» für Russland, sei aber auch keine Katastrophe.
Wie spiegelt sich die Forderung in der Debatte in Deutschland?
Mehrere Länder, darunter die USA und Polen, schliessen die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine nicht aus. In der Bundesregierung will man dieses Signal nicht setzen. Weder als Vorhaben noch als Option akzeptieren derzeit Politiker der Ampel-Koalition diesen Schritt, ganz vorn Kanzler Olaf Scholz (SPD). Aber auch die Vorkämpfer der Leopard-Lieferung, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und der Grüne Anton Hofreiter, machten deutlich, dass sie gegen eine Lieferung von Kampfjets sind.
Wie würde Russland auf die Lieferung von Kampfjets reagieren?
Russland hat zwar schon jetzt keine Luftüberlegenheit über der Ukraine – allerdings auch seine Kampfjet-Verbände noch nicht im vollen Umfang im Einsatz. Das russische Staatsfernsehen zeigt fast täglich voller Stolz die zerstörerische Kraft russischer Raketen, die von Flugzeugen abgeschossen werden. Der General und Militärpilot Wladimir Popow sagte in einem Interview der Moskauer Zeitung «MK», dass Russland die Kampfjets mit Luft-Luft-Raketen abschiessen würde. Wenn das nicht gelinge, müssten sie auf den Luftwaffenstützpunkten durch Hochpräzisionswaffen zerstört werden.
Dabei wies auch das Verteidigungsministerium in Moskau zuletzt Angaben des Westens zurück, Russland könnten die Raketen und die Munition ausgehen. Von ihren Zielen der Besetzung der vier ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson will Russlands Machtführung nicht ablassen. Kremlchef Wladimir Putin hat immer wieder betont, dass die Atommacht Russland ihre Interessen mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln durchsetzen werde.