Wiener Ärztekammer: «Patienten liegen auf dem Gang, um zu sterben»
Wiener Ärzte sind dauerbelastet, die Spitäler voll, Patienten müssen sich gedulden. Die Ärztekammer fordert deshalb eine Strukturreform und Sofortmassnahmen.
Das Wichtigste in Kürze
- 75 Prozent der Wiener Ärzte klagen über hohe oder sehr hohe Arbeitsbelastung.
- Patienten müssen deshalb oftmals lange warten, es wird triagiert.
- Die Politik empfindet die Darstellung der Ärztekammer als übertrieben.
Der Höhepunkt der Corona-Pandemie ist lange vorbei, die Fallzahlen und Hospitalisierungen sind tief. Entspannung an der Corona-Front bedeutet aber nicht auch Entlastung in den Spitälern. Dies zeigt eine Umfrage unter Wiener Spitalangestellten, über die das «ORF» berichtet.
Drei Viertel der Ärzte beschreiben die Arbeitsbelastung als hoch oder sehr hoch. Grund dafür sind der Personalmangel bei den Pflegefachkräften und den Medizinern, sowie organisatorische oder bürokratische Tätigkeiten. Der am vierthäufigsten genannte Grund sind die Auswirkungen der Pandemie.
75 Prozent der Ärzte seien «dauerbelastet», sagt Stefan Ferenci, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer. Viele hätten «nur begrenzte Zeit für die Patienten» – auch 63 Prozent der Ärzte kritisieren dies. Ferenci: «Die Patienten liegen auf dem Gang, um zu sterben.» Die Mediziner müssten triagieren «wie nicht einmal in den Corona-Zeiten».
Ein Arzt erzählt dem «Kurier» anonym davon: Zum ersten Mal habe er sich fragen müssen, bei wem er das Beatmungsgerät abdrehe, falls er es dringend brauche. In einer Nacht habe er neun Krankenwagen abweisen müssen, es seien keine Intensivbetten freigewesen.
Ärztekammer fordert Strukturreform und Sofortmassnahmen
Stefan Ferenci von der Ärztekammer berichtet von Wartezeiten von bis zu sieben Stunden. Ärzte müssten viele bürokratische Tätigkeiten übernehmen, weshalb die Schlange der Patienten grösser und grösser werde.
Die Ärztekammer fürchtet, dass die hohe Belastung zu hoher Unzufriedenheit unter den Medizinern und zu gesundheitlichen Problemen führt. Um einen Exodus zu verhindern, fordert sie eine tiefgreifende Strukturreform und Sofortmassnahmen. Doch damit stösst die Ärztekammer in der Politik auf taube Ohren.
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker spricht gegenüber «ORF» von einer «Kampagne gegen Wiener Spitäler». Es laufe in der Tat nicht alles problemlos, die Ärztekammer stehe aber nicht für Verhandlungen zur Verfügung. Er begrüsse aber den Vorschlag, gewisse Aufgaben in den niedergelassenen Bereich zu verlagern. Er habe den Vorschlag deshalb weitergeleitet.