Wissenschaftler warnen vor Folgen von technischen Methoden zur Abkühlung der Erdoberfläche
Das Wichtigste in Kürze
- Aufruf gegen Nutzung von SRM-Technologien auch von Umweltbundesamtchef unterzeichnet.
Das Einbringen von Milliarden Schwefelpartikeln in die Atmosphäre als Teil des sogenannten solaren Strahlungsmanagements (SRM) würde zwar einen wesentlichen Teil der Sonneneinstrahlung wie beabsichtigt abschwächen, erklärten mehr als 60 Wissenschaftler und Politikexperten im Fachmagazin «WIREs Climate Change» am Montag. Die Folgen für bestimmte Weltregionen dürften jedoch die Vorteile überwiegen.
«Der Einsatz von Solar Geoengineering kann weltweit nicht auf faire und effektive Weise geregelt werden», heisst es in dem Aufruf. Die Autoren fordern von der Weltgemeinschaft, die Nutzung des «solaren Geoengineerings als klimapolitische Option zu verhindern».
Da es im Zuge der steigenden Erderwärmung nicht gelungen ist, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, haben sich einige politische Entscheidungsträger für SRM ausgesprochen. Was vor nicht allzu langer Zeit noch wie Science-Fiction klang, soll Zeit schaffen für eine dauerhaftere Lösung zur Begrenzung der Erderwärmung.
Bereits seit langem ist bekannt, dass das Einbringen einer grossen Menge reflektierender Partikel in die Atmosphäre den Planeten abkühlen könnte. Die Natur hat es vorgemacht: Partikel des 1991 ausgebrochenen Vulkans Pinatubo auf den Philippinen senkten die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde für mehr als ein Jahr.
In ihrem Aufruf plädieren die Wissenschaftler jedoch gegen ein solches Vorgehen auf künstlichem Weg - aus mehreren Gründen. Eine herbeigeführte Abschwächung der Strahlungskraft der Sonne würde möglicherweise die Monsunregenfälle in Südasien und Westafrika unterbrechen. Das wiederum würde den Regenfeldbau zerstören, durch den Millionen Menschen ernährt werden. Auch Trockenheit im Amazonasgebiet wäre vermutlich eine Folge, äusserte der Weltklimarat IPCC in seiner jüngsten wissenschaftlichen Bewertung. Andere Regionen könnten allerdings profitieren, da das Dürrerisiko im südlichen Afrika laut einer Studie deutlich zurückgehen könnte.
Die Wissenschaftler sorgen sich aber auch um den so genannten Abbruchschock. Dieser könnte eintreten, wenn die Anreicherung der Atmosphäre mit sonnenlichtabweisenden Partikeln plötzlich eingestellt würde. Wenn SRM «aus irgendeinem Grund eingestellt würde, würden die Oberflächentemperaturen mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell ansteigen», erklärte das IPCC. Ausserdem würde die Technologie nichts daran ändern, dass sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre weiter erhöht, was die Chemie der Ozeane verändert.
Zudem warnen die Wissenschaflter vor dem Nachlassen der Bemühungen von Regierungen weltweit im Kampf gegen den Klimawandel, wenn sie sich auf den Effekt von SRM verlassen. Die Methode wecke Hoffnungen, «die Regierungen, Unternehmen und Gesellschaften davon abhalten kann, ihr Möglichstes zu tun, um so schnell wie möglich eine Dekarbonisierung oder Kohlenstoffneutralität zu erreichen».
In dem offenen Brief wird ein «internationales Nichtnutzungsabkommen» gefordert, das nationale Finanzierungen blockieren, Experimente in der Atmosphäre verbieten und die Erteilung von Patentrechten für SRM-Technologien verweigern würde. Die Forschung an der Methode würde damit jedoch nicht verhindert, betonten die Autoren. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Frank Biermann, Professor für Global Sustainability Governance an der Universität Utrecht, Aarti Gupta, Professorin für Global Environmental Governance an der Universität Wageningen in den Niederlanden und Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes.