Zahl der Migranten am Ärmelkanal stark gestiegen
Die Zahl der Bootsmigranten steigt unaufhörlich. Der Ruanda-Pakt scheint seine beabsichtigte Abschreckungswirkung zu verfehlen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahl der Menschen, die den Ärmelkanal in diesem Jahr in kleinen Booten überquert haben, hat die Marke von 15.000 überschritten.
Das meldete die britische Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf Daten der Regierung in London. Im Vorjahreszeitraum waren weniger als halb so viele Menschen auf diesem Weg nach Grossbritannien gelangt.
Damit zeichnet sich ein neuer Rekord bei der Zahl der Bootsmigranten ab. Im gesamten Jahr 2021 kamen nach PA-Angaben mehr als 28.500 Menschen über die Meeresenge. Im Jahr davor waren es knapp 8500. 2019 lag die Zahl noch bei 1800. Die Zahl nimmt zu, seit die Kontrollen an den Fährhäfen und am Eurotunnel verstärkt wurden, der Frankreich und England unter dem Ärmelkanal verbindet.
Britischer Pakt mit Ruanda
Die steigenden Zahlen dürften weiter Zweifel daran säen, ob die von der britischen Regierung beabsichtigte Abschreckungswirkung ihres Ruanda-Pakts Wirkung zeigt. Die im April geschlossene Vereinbarung mit dem ostafrikanischen Land sieht vor, dass illegal nach Grossbritannien eingereisten Menschen der Zugang zu einem Asylverfahren versagt wird. Stattdessen sollen die Migranten - gleich welcher Nationalität - nach Ruanda geschickt werden und dort Asyl beantragen. Eine Rückkehr ist nicht vorgesehen.
Einen ersten Flug mit Asylsuchenden hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Mitte Juni per einstweiliger Verfügung gestoppt. Im September wird mit einer Grundsatzentscheidung des britischen High Courts zur Rechtmässigkeit des Vorgehens gerechnet.
Erst am Montag hatte der Innenausschuss im britischen Unterhaus moniert, dass es für die Abschreckungswirkung keine ausreichenden Belege gebe. Zudem wurde kritisiert, dass die Kosten des Ruanda-Programms nicht abschätzbar seien. Die Kandidaten im Rennen um die Nachfolge des scheidenden Premiers Boris Johnson haben sich jedoch alle für die Fortsetzung ausgesprochen und teils sogar einen Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention befürwortet.