Atomendlager profitiert von «vielfältiger Geologie» in der Schweiz
In Finnland soll das weltweit erste Endlager für hochradioaktive Abfälle voraussichtlich 2025 in Betrieb gehen. Die Grundidee ist dieselbe wie in der Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze
- In Finnland geht das erste Endlager für hochradioaktive Abfälle bald in Betrieb.
- Auch in der Schweiz soll in Stadel ZH ein solches Lager entstehen.
- Die Beschaffenheit des Bodens ist hier jedoch eine andere.
Im finnischen Tiefenlager Onkalo sollen die abgebrannten Brennstäbe aus den fünf finnischen AKW in rund 500 Meter Tiefe für 100'000 Jahre vergraben werden.
Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der beiden finnischen AKW-Betreiber. Das Tiefenlager ist nur für die bestehenden Atomkraftwerke konzipiert und genehmigt. Würde eines Tages ein neuer Reaktor gebaut werden, bräuchte man erneut eine Lösung.
Für die Schweiz ist das Endlager in Finnland interessant, weil auch hierzulande ein solches gebaut werden soll. Der Grundgedanke sei weltweit bei allen geplanten Tiefenlagern derselbe, sagt Patrick Studer von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP.
Gestein ist anders
«In einer geeigneten Gesteinsschicht sollen die Abfälle isoliert werden, bis sie nicht mehr gefährlich sind. Dazu werden Stollen in den Untergrund gegraben, der radioaktive Abfall darin eingelagert und alle Stollen wieder aufgefüllt. Ist das Lager einmal verschlossen, kann es sich selbst überlassen werden und es schliesst den radioaktiven Abfall langfristig ein.»
Atommüll entsteht vor allem bei der Stromproduktion in Kernkraftwerken, aber auch in der Medizin, in Industrie und Forschung. In der Schweiz gründeten 1972 die Verursacher radioaktiver Abfälle daher gemeinsam die Nagra.
Im Gegensatz zu Finnland, das sein Tiefenlager im Granitgestein baut, plant die Schweiz ein Tiefenlager im Tongestein, im sogenannten Opalinuston. Studer erklärt: «Der Opalinuston ist sehr dicht. Er kann zudem allfällige sich bildende Risse im Gestein selbst wieder abdichten, weil er im Kontakt mit Wasser aufquillt. Weiter bindet der Opalinuston radioaktive Teilchen im Gestein. Granitgestein hat diese Eigenschaften nicht.»
«Geologisch gesehen hat die Schweiz mit den Alpen und dem Jura eine vielfältigere Geologie als Finnland», sagt Studer. Beim Schweizer Konzept ist der Opalinuston die «Hauptsicherheitsbarriere», wogegen in Finnland die Endlagerbehälter sowie die Stollenverfüllung eine wichtigere Rolle spielen. Finnland setzt auf Kupferbehälter, die Schweiz auf Stahlbehälter. Bei der Stollenverfüllung wollen beide Länder Bentonit einsetzen, ein Tonpulver. Bentonit besitzt dieselben Eigenschaften wie der Opalinuston.
Schweizer können mehr mitreden
In der Schweiz könnten die Menschen in der betroffenen Region das Projekt mitgestalten – vielleicht sogar stärker als in Finnland, sagt Studer weiter. In Finnland hat die betroffene Gemeinde ein Vetorecht, in der Schweiz entscheiden Bundesrat, Parlament und im Falle eines Referendums die Schweizer Stimmbürger. In Finnland erhält die betroffene Gemeinde Immobiliensteuern. In der Schweiz würden Abgeltungen für die Region diskutiert, die es so in Finnland nicht gebe, sagt Studer.
Geregelt ist das Vorgehen hierzulande im sogenannten Sachplan geologische Tiefenlager. Die Nagra ist verantwortlich für Forschung, Konzept, Standortsuche, Bau, Betrieb und Verschluss. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) überprüft die Arbeit der Nagra, und der Bund führt das Verfahren und entscheidet.
Endlager in Stadel ZH sorgt für Diskussionen
Im vergangenen Jahr hat die Nagra den Standort Nördlich Lägern auf dem Gebiet der Zürcher Gemeinde Stadel als Region vorgeschlagen. Bis voraussichtlich Ende 2024 sollen die Rahmenbewilligungsgesuche beim Bund eingereicht werden. Ab 2029 werden Bundesrat und Parlament darüber entscheiden. Der Bau soll 2034 beginnen, und der erste Atommüll soll ab 2050 eingelagert werden.
«Finnland ist die Vorreiterin, die Schweiz ist aber auch auf gutem Weg», sagt Studer. Angesichts der Dimensionen für welchen Zeitraum diese Endlager jeweils gebaut werden, relativiert sich der zeitliche Vorsprung von einem Vierteljahrhundert allerdings.