In den vergangenen Jahrzehnten wurden der Musik Mozarts positive Auswirkungen auf Mensch, Tier und selbst Bakterien zugeschrieben – doch dieser «Mozart-Effekt» ist offenbar ein Mythos. Nachdem sie bereits 2010 die angebliche Intelligenzsteigerung durch Mozarts Musik nicht bestätigen konnten, haben Psychologen der Uni Wien nun im Fachjournal «Scientific Reports» gezeigt, dass auch keine positive Wirkung von Mozart bei Epilepsie nachweisbar ist.
leopold mozart
Leopold Mozart wurde vor 300 Jahren geboren. - Wikipedia/Pietro Antonio Lorenzoni/Mozart Museum

Das Wichtigste in Kürze

  • Anfang der 1990er Jahre hatte die US-Psychologin Frances Rauscher mit ihrer im Fachjournal «Nature» veröffentlichten Studie über verbesserte Leistungen bei Intelligenztests nach dem Hören von Mozarts Musik einen Hype ausgelöst.
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Von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlichster Fachgebiete wurde die Wirkung von Musik auf Mensch und Tier untersucht – mit unterschiedlichsten Ergebnissen. Breit rezipiert wurden dabei vor allem jene Studien, die positive Effekte gefunden haben wollten.

So sollte zum Beispiel das Hören der Mozart-Sonate nicht nur die Intelligenz von Erwachsenen, Kindern oder Föten im Mutterleib steigern – was einzelne US-Bundesstaaten sogar dazu veranlasste, jeder Mutter eines Neugeborenen eine Klassik-CD zu schenken. Die Musik sollte auch Kühe zu höherer Milchleistung bringen und selbst Bakterien in Kläranlagen ihre Arbeit besser verrichten lassen. In jüngster Zeit gab es eine weitere Variation des Mozart-Effekts: Einige Studien berichteten von Symptomlinderungen bei Epilepsiepatienten, nachdem sie KV448 gehört hatten.

Den Ausgangspunkt des «Mozart-Effekts» entmystifizierte ein Team um Jakob Pietschnig vom Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung der Universität Wien bereits 2010: Sie untersuchten in ihrer im Fachjournal «Intelligence» veröffentlichten Meta-Analyse die Ergebnisse von 39 Studien zum Thema «Mozart und Intelligenzsteigerung» statistisch und konnten die ursprünglich postulierten Resultate nicht bestätigen.

Nun haben Sandra Oberleiter und Jakob Pietschnig Studien unter die Lupe genommen, die den Effekt der Sonate auf eine physische Erkrankung im Allgemeinen untersucht haben. In einer Literaturrecherche identifizierten sie zunächst nur 26 Studien als passend, «was zeigt, dass es zu diesem Thema gar nicht so viel Literatur gibt, wie der durch die Medien vermittelte Eindruck vermuten lässt», so Sandra Oberleiter zur österreichischen Nachrichtenagentur APA. Zudem mussten die Forschenden den Grossteil dieser Untersuchungen ausschliessen, da es sich entweder um Fall-Studien mit Einzelpersonen handelte oder die Daten nicht mehr vorhanden waren.

Sechs der schliesslich acht analysierten Studien beschäftigten sich mit der Wirkung der Mozart-Musik auf Epilepsie und jeweils eine mit der Wirkung auf den Blutdruck von Schlaganfall-Patienten und die Schmerzwahrnehmung von Frühgeborenen nach Einschätzung von Pflegekräften. Sie zeigten, dass es keine belastbaren Nachweise zu positiven Effekten gibt, die Studien «wiesen in der Regel kein adäquates Design entsprechend den Standards experimenteller Forschung auf und basierten auf sehr, sehr kleinen Stichprobengrössen», so Oberleiter.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen Mozarts Musik ihre Wirkung aber nicht komplett absprechen. Es gebe durchaus Evidenz dafür, dass Musik, die man gerne mag, aktivierend wirkt und dies zu positiven Effekten führen kann – unabhängig vom Genre. «Allerdings ist schwer zu bezweifeln – und es gibt im Moment keine wissenschaftlich belastbare Hinweise darauf, dass dies auf eine spezifische Wirkung von Mozarts Musik zurückzuführen ist – weder für Epilepsie, noch Intelligenz», so Oberleiter.

https://www.nature.com/articles/s41598-023-30206-w

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