Inselspital-Ärzte streiten sich über In-Vitro-Kinder-Studie
Gemäss der Studie eines Inselspital-Kardiologen sollen In-Vitro-Kinder anfälliger für Herzprobleme sein. Die Fortpflanzungsforscher halten dagegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Studie eines Inselspital-Kardiologen attestiert In-Vitro-Kindern Herzproblem-Risiken.
- Er greift dabei auch seine Büro-Nachbarn von der Fortpflanzungsmedizin frontal an.
- Beide Parteien behaupten, die andere Seite verschliesse sich der Zusammenarbeit.
In der Schweiz kommen jährlich rund 2000 In-Vitro-Kinder zur Welt. Schon 2011 attestierte eine Studie von Urs Scherrer vom Inselspital Bern durch künstliche Befruchtung gezeugten Kindern ein erhöhtes Bluthochdruck-Risiko. In der «Rundschau» vom Mittwoch warnte der Kardiologe jetzt davor, dass In-Vitro-Kinder auch anfälliger für Herzkrankheiten seien.
Noch lange keine Forschungsdaten von Menschen in Sicht
Tests an durch künstliche Befruchtung gezeugten Mäusen haben gezeigt, dass die Herzform der noch jungen Tiere bereits Veränderungen aufzeigt. Mit steigendem Alter entwickelten sich immer stärkere Anzeichen von Herzversagen.
Warum das so ist, weiss Scherer nicht. Er vermutet die Ursachen aber bei der Zeugung im Labor. Daten von Menschen gibt es noch fast nicht: Das erste künstlich gezeugte Baby kam erst vor 41 Jahren in England zur Welt. Mit repräsentativen Daten von alten In-Vitro-Kindern kann man also erst dreissig bis vierzig Jahren rechnen.
«Wille zur Zusammenarbeit nicht entwickelt»
Für Scherrer ist dieses Wissen unbedingt nötig. «Auf der anderen Seite braucht man auch die Zusammenarbeit und das Mitmachen der Fortpflanzungsmediziner, um weiter zu kommen. Mein Eindruck ist aber, dass der Wille zur Zusammenarbeit von Seiten der Fortpflanzungsmediziner nicht wirklich weit entwickelt ist.»
Diesen Frontalangriff wollen die Fortpflanzungsmediziner nicht auf sich sitzen lassen. «Wir nehmen Herr Scherrers Forschungen sehr ernst, es gibt allerdings auch andere Feststellungen, die das Gegenteil seiner Resultate behaupten» sagt Christian de Geyter, der Chefarzt der Reproduktionsmedizin am Unispital Basel.
Dass in den Hochglanzbroschüren der grossen Fortpflanzungskliniken kaum auf die potentiellen Herz-Kreislaufprobleme hingewiesen wird, findet er nicht kritisch. «Es gibt so viele Befunde, die mitgeteilt werden können, man überfordert die Paare damit» ist de Geyter überzeugt.
Kardiologen sollen sich im Labor einschliessen
Michael von Wolf ist selbst Reproduktionsmediziner am Inselspital und somit eigentlich Büro-Nachbar von Kardiologe Scherrer. Er sieht den Fehler aber nicht bei sich. «Warum die Kardiologen um Scherrer sich in ihrem Labor einschliessen und nicht mit uns zusammenarbeiten oder kommunizieren, weiss ich nicht. Es ist schade, aber unsere Kommunikationsversuche sind bisher ins Leere gelaufen.»