Neue Adipositas-Richtlinien: BMI soll nicht ausschlaggebend sein
Internationale Forscher plädieren für eine Überarbeitung der Adipositas-Diagnose. Der BMI allein soll nicht mehr ausschlaggebend sein.
Eine internationale Expertenkommission schlägt vor, die Diagnoserichtlinien für Adipositas grundlegend zu überarbeiten. Der Body-Mass-Index (BMI) soll nicht mehr allein massgebend sein.
Stattdessen empfehlen die Forscher, zusätzliche Messungen wie Taillenumfang oder direkte Fettmessungen einzubeziehen. Die Empfehlungen wurden in der Fachzeitschrift «The Lancet Diabetes & Endocrinology» veröffentlicht.
Mehr als 50 Experten waren an der Ausarbeitung beteiligt. Sie argumentieren, dass der BMI allein kein zuverlässiger Indikator für Übergewicht und Gesundheitsrisiken sei, berichtet die «Tagesschau».
Robert Eckel von der University of Colorado erklärt: «Sich bei der Diagnose von Fettleibigkeit allein auf den BMI zu verlassen, ist problematisch».
Manche Menschen speichern Fett an kritischen Stellen wie der Taille oder um Organe herum, was ein höheres Gesundheitsrisiko darstellt.
Adipositas: Neue Diagnosekategorien
Die Kommission schlägt zwei neue Diagnosekategorien vor: «klinische Adipositas» und «präklinische Adipositas». Diese Unterteilung soll eine bessere Zuweisung von Gesundheitsressourcen ermöglichen.
Francesco Rubino vom King's College London betont: «Die Frage, ob Adipositas eine Krankheit ist, führt in die Irre». Er plädiert für einen differenzierteren Ansatz, der die individuellen Gesundheitsrisiken berücksichtigt.
Die Relevanz dieser Änderungen ist gross. Weltweit gibt es über eine Milliarde Menschen mit Adipositas. Besonders besorgniserregend ist der Anstieg bei Kindern und Jugendlichen.
Kritische Stimmen
Einige Experten äussern Bedenken bezüglich der praktischen Umsetzbarkeit der neuen Richtlinien. Hans Hauner von der TU München warnt vor einer möglichen Unterversorgung von Menschen mit einem BMI zwischen 30 und 40.
Thomas Reinehr von der Universität Witten/Herdecke kritisiert das Fehlen psychischer Aspekte in den Vorschlägen. Er befürchtet, dass weniger Menschen eine von Krankenkassen bezahlte Therapie erhalten könnten, berichtet die «Tagesschau».
Trotz Kritik sieht Hauner auch Positives: «Es geht ja zunächst mal um Lebensstiländerung». Schon eine moderate Gewichtsabnahme könne das Risiko für Folgeerkrankungen deutlich senken.