Roboter übernehmen bei Hand-Prothesen teilweise die Kontrolle
Das Wichtigste in Kürze
- Der Greifreflex ist einer der wichtigsten, wenn es um die motorischen Fähigkeiten der Hand geht.
- Gängige Hand-Prothesen sind zu langsam, um den Greifreflex auszuüben.
- Eine neue Methode der EPFL ermöglicht der künstlichen Hand nun, in 400 Millisekunden zu reagieren.
Eine künstliche Hand, welche an die verbliebenen Muskeln im Arm angeschlossen ist und auf deren Befehle reagiert: Das können viele Prothesen. Nur: Wer eine solche Prothese trägt, dem rutschen öfter Dinge durch die Finger, denn der Greifreflex ist zu langsam. Nun haben Forschende der École Polytéchnique Fédéral de Lausanne (EPFL) eine Hand entwickelt, die in 400 Millisekunden reagieren kann – das ist schnell, aber immer noch langsamer als die menschliche Hand. Die Resultate der Tests an drei Amputierten und sieben Gesunden sind in der Fachzeitschrift Nature Machine Intelligence veröffentlicht worden.
In diesem Video, sieht man, wie die Hand funktioniert.
Mensch und Maschine teilen sich Kontrolle
Speziell an dieser Hand ist, dass sie von Mensch und Maschine gleichermassen kontrolliert wird – manchmal löst also der Mensch eine Bewegung aus, manchmal hingegen ein Roboter. «Shared control» nennen die Wissenschaftler diese Methode. Damit dies möglich ist, wird die Maschine über Dutzende von Drucksensoren mit Daten gefüttert. Droht ein Objekt aus der Hand herauszufallen, übernimmt die Maschine die Kontrolle. In der Welt der Prothesen ist dies Kontrollübernahme ein Novum.
«Das Problem mit den bisherigen künstlichen Händen ist, dass sie die Befehle der Menschen nicht immer einwandfrei lesen können», sagt Silvestro Micera, Professor für Neuroprosthetik an der EPFL, der die Hand mitentwickelt hat. Amputierte, denen auch Teile des Oberarmes fehlen, haben zum Beispiel mehr Mühe, herkömmliche Prothesen zu steuern als solche, denen «nur» Teile des Unterarmes fehlen.
Roboter ist zur Unterstützung da
Auch gibt es Leute, denen das Steuern kognitiv einfacher fällt als anderen. «Ein Superuser, der die Hand exzellent steuern kann und viel Zeit hat, zu trainieren, braucht keine Roboter-Kontrolle», sagt er. Dem normalen Nutzer aber könne die Maschine helfen. Die neue Hand könne jeder sofort gebrauchen, der Roboter übernehme dann die meiste Arbeit.
Und was, wenn der Roboterarm etwas tut, das der Mensch gar nicht will? «Der Mensch kann die Kontrolle jederzeit an sich reissen», sagt Micera. Doch woher weiss die Maschine, dass das Objekt aus der Hand gleitet und dass der Mensch es nicht einfach ablegen will? «Die Prothese wartet, bis die Wahrscheinlichkeit, dass das ein bewusstes Ablegen ist, klein ist», sagt Aude Billard, EPFL-Professorin für selbstlernende Systeme, die ebenfalls an der Entwicklung beteiligt war.
Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz und Mensch
«Shared control» ist laut den Forschenden eine Methode, die im Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz und Menschen generell eingesetzt werden könnte. «Auch beim autonomen Fahren stellt sich die Frage: Was macht der Mensch und was macht die Maschine?», sagt Billard. In Zukunft könnten sich die Menschen also die Kontrolle immer öfter mit Robotern teilen.
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