«Spiegelbild für die Beziehung» – Warum Küssen wichtig ist
Das Küssen ist für Beziehungen laut Psychologen wichtiger als Sex. Es sei ein wahres Spiegelbild für den Zustand einer Beziehung.
Das Wichtigste in Kürze
- Laut Psychologen ist das Küssen in für Beziehungen wichtiger als Sex.
- Es sei ein wahres Spiegelbild für den Zustand einer Beziehung.
Jack und Rose, Harry Potter und Ginny Weasley oder Susi und Strolch: Romantische Küsse dürfen in vielen Filme nicht fehlen. Auch im echten Leben ist Knutschen für Beziehungen wichtiger als Sex, meinen manche Psychologen.
Der Puls beschleunigt sich, der Blutdruck steigt, die Wangen werden rot. Ein wahrer Hormon-Cocktail flutet den Körper, darunter Oxytocin, Serotonin und Dopamin – besser bekannt als Kuschel- und Glückshormone. Nebenbei werden bis zu 34 Gesichtsmuskeln aktiv, wandern Millionen Bakterien von einem Mund in den anderen.
Die körperlichen Auswirkungen von Küssen sind gut erforscht. Mit dem 6. Juli gibt es sogar einen Internationalen Tag des Kusses. Und dennoch wird die jahrtausendealte Kulturpraxis zu wenig beachtet - das meint zumindest der deutsche Psychologe und Buchautor Wolfgang Krüger.
Spiegelbild für Zustand einer Beziehung
«Küssen wird in der Öffentlichkeit meist behandelt wie die kleine Schwester der Sexualität. Dabei ist sie das nicht – im Gegenteil, Küssen ist für Paare viel wichtiger», sagt Krüger. Es sei ein wahres Spiegelbild für den Zustand einer Beziehung.
Viele Partnerinnen und Partner würden sich zwar Sorgen machen, dass ihre Sexualität einschlafe. Das erste Indiz für Probleme in der Beziehung seien aber fehlende Küsse.
«Das mag vielleicht seltsam klingen, aber küssen ist etwas viel Intimeres als Sex. Sexualität kann auch sehr distanziert sein, indem ein Programm abgespult wird», sagt Krüger.
Beim Küssen müsse man sich dagegen auf sein Gegenüber einlassen, spüre sein Tempo, seinen Geruch und Geschmack. «Beim Küssen merkt man, ob das Gegenüber einfühlsam ist und soziale Antennen hat. Gleichzeitig gehört zu einem guten Kuss Leidenschaft und die Fähigkeit sich zu steigern.»
Ob flüchtiges Gute-Nacht-Müntschi oder romantisches Knutschen bei einem Date – durchschnittlich küssen Menschen etwa zwei bis drei Mal am Tag. Wer 70 Jahre alt wird, hat etwa 76 Tage seines Lebens mit Küssen verbracht. Tendenz steigend, meint zumindest Krüger. Begrüssungsküsse unter Freunden, wie sie in Frankreich oder Italien schon lange üblich sind, würden auch in unseren Breiten immer häufiger.
Küssen nicht in allen Teilen der Welt verbreitet
Wer annimmt, dass Küssen in allen Teilen der Welt verbreitet sei, hat trotzdem weit gefehlt. Eine Studie des Kinsey Instituts an der Indiana University zeigte 2015, dass romantisches Küssen nur bei 46 Prozent der 168 untersuchten Kulturen verbreitet ist.
Insbesondere im Mittleren Osten, in Nordamerika und Europa werden demnach viele Küsse verteilt. Bei afrikanischen Kulturen südlich der Sahara, auf Neuguinea oder in Zentralamerika spiele der mit Liebe und Sexualität verbundene Kuss eher keine Rolle.
Schon in den 1960er-Jahren hat eine deutsche Langzeitstudie erstaunliche Ergebnisse zutage gefördert. Ehemänner, die ihrer Frau morgens einen Abschiedskuss geben, lebten durchschnittlich fünf Jahre länger, schrieben die Forscher damals. Neuere Studien haben etwa herausgefunden, dass die meisten Küsser ihren Kopf nach rechts neigen. Zudem kann das Küssen Heuschnupfen und Dermatitis verringern.
Und wie sieht es mit dem Knutschen in Zeiten von Corona, den Abstandsgeboten und Gesichtsmasken aus? Krüger beobachtet in Therapiesitzungen zumindest bei Paaren zwei gegenläufige Auswirkungen. «Manche reden wieder viel mehr miteinander und küssen sich auch häufiger.» Andere kämen mit der Zwangsnähe dagegen nicht klar, stritten sich ständig und hätten keinen Körperkontakt mehr.
«Das ist ein Problem. Eine Beziehung, in der nicht mehr geküsst wird, hat den Charme einer Jugendherberge», sagt Krüger. Paaren, die sich wieder nahekommen wollen, gebe er daher eine Aufgabe: Sie sollen sich küssen, «bis ihnen vor Leidenschaft der Kopf wegfliegt.»