User zensieren sich aus Angst vor Internet-Überwachung selbst
Eine Studie der Uni Zürich zeigt: User verändern ihr Verhalten beim Surfen im Internet, weil sie Überwachung fürchten. Die Entwicklung bedrohe die Demokratie.
Das Wichtigste in Kürze
- Laut der Studie nutzen insgesamt 92 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren das Internet.
- Mehr als die Hälfte der Befragten fühlte sich dabei schon zur Selbstzensur gezwungen.
- Die Hälfte der Befragten ist zudem skeptisch gegenüber E-Voting.
Wenig erstaunlich: Fast alle Menschen unter 50 Jahren sind online, im Schnitt 25 Stunden pro Woche. Neu ist die Erkenntnis über das Verhalten: Fast 60 Prozent zensieren sich aus Angst vor Überwachung.
Konkret schränken Nutzer ihre Recherchen auf Suchmaschinen ein und halten auf Facebook und WhatsApp ihre Meinungen zurück.
Sie haben das Gefühl, «dass diese Spuren zu Überwachungszwecken genutzt werden», schreiben die Studienautoren der Abteilung Medienwandel & Innovation am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Uni Zürich.
«Abschreckungseffekte aufgrund eines Überwachungsgefühls sind demokratiepolitisch bedenklich», warnt Michael Latzer, Professor am Institut. «Sie bedrohen die Ausübung von Grundrechten und die gesellschaftliche Teilhabe via Internet».
43 Prozent der 1122 Befragten finden nämlich, die Online-Überwachung schade der Gesellschaft und 45 Prozent befürchten, dass Unternehmen wie Facebook ihre Privatsphäre online verletzten.
Zwischenmenschliche Kontakte sind am wichtigsten
Das Internet ist nicht nur punkto Information die wichtigste Quelle vor Zeitungen und TV, sondern schlägt mittlerweile auch bei der Unterhaltung das Fernsehen. Von YouTube laden 63 Prozent Filme und 51 Prozent Musik herunter, Netflix wird von 42 Prozent genutzt, Spotify von 35 Prozent. Nur Menschen ab 70 bevorzugen hingegen Zeitung und Radio.
Doch auch die Jungen bringen Bezahlzeitungen und der SRG ein grosses Mass an Vertrauen entgegen – sie nutzen das Angebot aber online. «Seiten von Gratiszeitungen und Inhalten auf sozialen Netzwerken wird weniger Vertrauen geschenkt», heisst es in der Mitteilung zur Studie. 63 Prozent halten zumindest die Hälfte aller Internetinhalte für glaubwürdig.
Skepsis gegenüber E-Voting
Neben News und Entertainment spielt das Internet auch beim Konsum eine wichtige Rolle: 87 Prozent der Schweizer Internetnutzer suchen online nach Produktinformationen. 82 Prozent kaufen online ein, 71 Prozent buchen ihre Reisen übers Internet. Über ein Drittel verkauft auch selber übers Netz.
Die Rolle des Internets für die Demokratisierung der Gesellschaft wird nur von einer kleinen Minderheit optimistisch betrachtet. 21 Prozent glauben, dass Bürger aufgrund der Internetnutzung mehr Mitsprache hätten. 27 Prozent hoffen auf mehr Macht, 39 Prozent glauben, sie würden Politik dank dem Internet besser verstehen und 27 Prozent gehen davon aus, dass sie von Politik und Verwaltung via Netz besser wahrgenommen würden.
51 Prozent befürworten E-Voting, elektronische Wahl- oder Abstimmungsmöglichkeiten. Doch: Personen ab 70 Jahren stehen E-Voting deutlich skeptischer gegenüber als Jüngere. «Die vieldiskutierten Sicherheitsmängel bisheriger E-Voting-Systeme zeigen Wirkung, doch liegt hier ein Potenzial, die geringe Wahlbeteiligung der Jungen zu erhöhen», so Studienleiter Latzer.