Was hat die Apollo 11-Mission überhaupt gebracht?
Vor 50 Jahren betrat der erste Mensch den Mond. Im Interview erklärt Astronomieprofessor Thomas Schildknecht, wie die Mission die Welt veränderte.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 20. Juli 1969 landete die Apollo-11-Mission auf dem Mond. Der erste Mensch, der ihn betrat, war Neil Armstrong.
- Die Astronauten brachten 380 Kilogramm Mondgestein zur Analyse auf die Erde.
- Das Gestein trug Informationen über das Alter des Mondes, aber auch über die Entstehung von Materie in sich.
Autorin: Katrin Schregenberger
Herr Professor Schildknecht, die Apollo-11 Mission brachte den ersten Menschen auf den Mond. War sie mehr als ein politisches Spektakel?
Während der Mission hat es nicht enorm viele wissenschaftliche Experimente gegeben. Trotzdem brachte sie wichtige Erkenntnisse. Zum allerersten Mal konnten Gesteinsproben vom Mond auf der Erde analysiert werden. Man konnten daraus Rückschlüsse ziehen, wie der Mond entstanden ist.
Wie ist er denn entstanden?
Da gibt es drei Möglichkeiten: Entweder, Erde und Mond sind zusammen entstanden, dann bestehen beide aus dem gleichen Material. Oder der Mond ist woanders entstanden und wurde von der Erde «eingefangen», dann würde er aus anderem Material bestehen. Eine weitere Möglichkeit ist der Zusammenprall der Erde mit einem anderen Himmelskörper. Das ist die Variante, die von den meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern favorisiert wird, denn der Mond und die Erde haben zum Teil gleiches, zum Teil unterschiedliches Material. Aber auch bei dieser Theorie geht nicht alles auf. Die gesicherte Erklärung bleibt also vorerst aus.
Hegten die Apollo-Astronauten eigentlich die Hoffnung, Leben auf dem Mond zu finden?
Man hatte keine grosse Hoffnung, Leben auf dem Mond zu finden. Sicher war man sich aber nicht. Deshalb gingen ja die Astronauten und das Mondgestein nach der Rückkehr in Quarantäne, damit sie ja kein fremdes biologisches Material wie Bakterien oder Viren einschleppten. Heute sind wir uns auch ziemlich sicher, dass es auf dem Mond kein Leben gibt. Beim Mars weiss man es nicht. Die Bausteine für Leben, Aminosäuren, hat man an vielen Stellen im All gefunden, auf Kometen zum Beispiel. Doch dort fehlt die stabile Umgebung, damit Leben entsteht. Auf dem Mars oder den grossen Monden von Jupiter und Saturn gibt es diese Bedingungen.
Die Astronauten haben 380 Kilogramm Mondgestein zurückgebracht. Verrät dieses Gestein auch etwas über die Erde?
Nicht über die Erde, aber über das Sonnensystem. Zentral dabei ist das Alter des Mondgesteins. Der Mond wurde zwar häufig von Meteoriten und Asteroiden getroffen, aber ansonsten ist er unverändert geblieben – anders als die Erde, die durch die Tektonik und Erosion ständigem Wandel unterworfen ist. Zudem lässt sich das Alter des Mondgesteins gut bestimmen. Es trägt Informationen von Jahrmilliarden in sich. So erfahren wir etwas über die Entstehung des Sonnensystems.
Auf der Apollo-11-Mission war auch ein Sonnenwindsegel der Universität Bern mit an Bord. Was brachte das Segel für Erkenntnisse?
Das Berner Sonnenwindsegel, eine Art Folie, hat auf dem Mond über rund zwei Stunden Teilchen des Sonnenwindes eingefangen. Diese Teilchen, es handelt sich hauptsächlich um verschiedene Edelgase, tragen Informationen aus frühen Zeiten des Universums in sich. Zurück auf der Erde, wurden die Teilchen im Labor aus den Folien extrahiert und in einem Massenspektrometer untersucht. Dieses Messinstrument erlaubt es, schwere und leichte Varianten, sogenannte Isotope, ein und desselben Elementes voneinander zu unterscheiden. Das Verhältnis dieser Varianten im Sonnenwind haben wir so zum ersten Mal messen und damit die Theorien zur Entstehung von Materie und des Universums prüfen und weiterentwickeln können.
Was haben die Astronauten auf dem Mond noch gemacht – ausser Gesteinsproben zu sammeln und das Sonnensegel zu hissen?
Sie haben Laserreflektoren aufgestellt. Das sind eigentlich überdimensionale Katzenaugen, wie wir sie am Velo haben. Mit ihnen misst man heute noch die Distanz zum Mond, und zwar millimetergenau. Damit lässt sich zum Beispiel messen, wie der Mond sich immer weiter von der Erde entfernt. Dies geschieht, weil sich die Erdrotation – wegen der vom Mond verursachten Gezeitenreibung – allmählich verlangsamt.
Die Reflektoren hätte aber theoretisch nicht ein Mensch aufstellen müssen, das hätte auch eine Maschine gekonnt. Die Russen haben ebenfalls solche Reflektoren auf dem Mond platziert – obwohl sie nie einen bemannten Flug auf den Mond durchführten.
Hätte man die Erkenntnisse der Apollo-11-Mission auch ohne Astronauten gewinnen können?
Das wäre kaum möglich gewesen. Es brauchte die Menschen, um Gesteinsproben zurückzubringen. Das ist auch heute noch aufwändig. Vom Mars zum Beispiel haben wir immer noch keine Proben, obwohl Sonden dorthin fliegen. Auch gab es während der Mission zahlreiche Probleme. Da war es gut, dass Menschen eingreifen und mit den Händen etwas machen konnten.
Sind Astronauten also vor allem die Lieferanten von Gesteinsproben?
Nein. Sie haben weitere Funktionen. Die bemannte Raumfahrt hat einen starken emotionalen Aspekt. Menschen zum Mond fliegen zu lassen, verteuert und verkompliziert zwar die Forschung. Bei Apollo-11 war die Tatsache, dass Menschen auf die Erde zurückgeblickt haben und davon erzählt haben, aber entscheidend. Das hat viel bewirkt im Bewusstsein breiter Schichten, nämlich, dass die Erde etwas Fragiles ist. Und dass sie nicht selbstverständlich ist. Ein Bild der Erde von einer unbemannten Raumsonde aus hätte wahrscheinlich nicht die gleiche Wirkung gehabt.
Die Mission war dafür sehr teuer – ohne Menschen wäre es billiger gekommen.
Die Mission hat umgerechnet auf heutige Verhältnisse insgesamt rund 150 Milliarden Dollar gekostet. Das ist viel Geld, aber wenn man das als Menschheitsprojekt sieht, ist es wenig. Es ist weniger, als die USA an Militärausgaben pro Jahr budgetiert.
Die Apollo-Mission hat gezeigt, was die Menschheit erreichen kann, wenn sie will. Technisch, aber auch in Sachen Organisation und Führung. Das war einmalig. Rund 400 000 Leute haben für das Projekt gearbeitet. Da muss eine Begeisterung geherrscht haben, die Leute wussten, wofür sie das machen, sonst hätte das kaum geklappt. Es gibt sonst ja nur einen Bereich, in dem sich so viele Leute für eine Sache einspannen lassen – und das ist leider der Krieg.
Heute haben wir hocheffiziente und genaue Technologie – müssen die Menschen überhaupt noch selber ins All?
Geräte, die damals ein ganzes Labor füllten, passen heute tatsächlich in eine Schuhschachtel. Durch Massenspektrometer können wir die Materialien ferner Planeten zuverlässig bestimmen. Bemannt auf einen Kometen zu gehen, macht deshalb überhaupt keinen Sinn. Bei komplexeren Körpern, wie dem Mars, könnten Menschen die Vielfalt aber vielleicht besser überblicken. Jetzt haben wir dort einfach einen Rover, der irgendwo herumfährt. Wenn sie den Rover in die Sahara setzen würden, könnte er auch keine Bilder von den Alpen oder dem Mittelland machen. Natürlich haben wir Fotografien vom Mars und wissen, dass es dort verschiedene Landschaften gibt. Aber der Mensch könnte sich diesen Überblick vielleicht auch im Detail besser verschaffen.
Da gibt es auch andere Stimmen.
Ja, andere Wissenschaftler würden sagen: «Chabis! Der Mensch stört nur! Die Roboter können das besser.» Tatsächlich bringt der Mensch Verunreinigung mit und verursacht durch seine Bewegungen zum Beispiel Vibrationen auf der Raumstation, welche Messungen beeinträchtigen können. Ich bin mir aber trotzdem nicht sicher, ob man mit Robotern alles kann.
Hatte die Apollo-Mission auch langfristig eine Wirkung?
Die Apollo-Mission hat zu einem riesigen Technologieschub geführt. Dass der Mensch im All überleben kann, war mit dem ersten Astronauten in der Umlaufbahn klar. Schwierig an der Mondlandung war aber die Navigation in die Umlaufbahn des Mondes, Manöver zu machen, anzudocken, zu landen und vor allem auch wieder zu starten. Technisch war das eine Riesensache.
Hat die Mission die Raumfahrt verändert?
Ja, denn nach dem Apollo-Programm wurde klar, dass die Raumfahrt für ein Land allein zu teuer wird. Wenn man den Mond besiedeln will, oder gar den Mars, kann man das nicht allein schultern. Die internationale Weltraumstation ISS ist aus diesem Gedanken entstanden.
Wie sieht die Zukunft des Mondes aus?
Es gibt zwei Möglichkeiten. Die erste ist, dass der Mond zu einer Zwischenstation ins All wird. Hierfür müsste man auf dem Mond aber Treibstoff, Wasser und Nahrung herstellen können. Aus Mondstaub könnte man das eventuell machen. Das Aufwändige an der Raumfahrt ist, die rund 400 bis 500 Kilometer von der Erde wegzukommen. Ist man dann im All, ist das Problem aber die hohe Strahlenbelastung. Auf dem Mond hält man das vielleicht eine Woche aus, aber längerfristig ist es tödlich. Man müsste sich also eingraben. Auch ein Weltraumschiff, das zum Mars fliegt, müsste sich schützen. Das könnte über einen Wassermantel passieren. Aber so viel Wasser von der Erde weg zu transportieren, das wäre zu aufwändig. Der Mond könnte also zum Sprungbrett werden.
Und wie sieht das zweite Szenario aus?
Die zweite Möglichkeit wäre, auf der Rückseite des Mondes Wissenschaft zu betreiben. Dort wären Teleskope zum Beispiel gut geschützt vor den irdischen Radiowellen, welche eine Beobachtung des Alls von der Erde aus erschweren. Auch für optische Teleskope wäre diese Umgebung ideal, da es auf dem Mond keine störende Atmosphäre gibt. Diese Instrumente werden ja immer grösser, aktuell sind terrestrische Grossteleskope mit 40 Meter Durchmesser im Aufbau. Möchten wir die Nachteile der Atmosphäre umgehen, ist es wahrscheinlich günstiger, solche Geräte auf dem Mond zu betreiben, als in Form von künstlichen Satelliten.
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