Wasserkraft: Albedo-Effekt von Stauseen verzögert Klima-Wirkung
Die Wasserkraft soll einen kühlenden Einfluss auf das Klima haben. Neue Erkenntnisse zeigen nun, dass sich diese Wirkung verzögert.
Das Wichtigste in Kürze
- Dank dem Albedo-Effekt kühlen Stauseen das Klima ab.
- Eine Studie zeigt, dass diese positive Wirkung erst verspätet einsetzt.
Bisher ging man von einem kühlenden Einfluss von Wasserkraft auf das Klima aus. Sie spart CO2-Emissionen ein, wenn damit fossile Energieträger ersetzt werden.
Doch die erste Abschätzung des sogenannten «Albedo-Effekts» von Stauseen zeigt nun: Durch die geringere Sonnenlicht-Reflexion der Wasserfläche im Vergleich zum Umland wird die positive Wirkung verzögert. Dies berichten Forscher im Fachjournal «Nature Energy».
Als «Albedo» wird jener Anteil an Sonnenstrahlung bezeichnet, der von einer Oberfläche reflektiert wird. Dass die Albedo von Seen deutlich niedriger ist, als jene der meisten anderen terrestrischen Ökosysteme, war bereits bekannt.
Georg Wohlfahrt von der Universität Innsbruck hat anhand von 724 Stauseen deren Albedo-Effekt mit den Emissionseinsparungen gegengerechnet. Sie zeigten, dass ein beträchtlicher Teil der Effekte durch die höhere Albedo der Speicherseen zunichtegemacht wird.
Kühlungseffekt tritt bei Wasserkraft (zu) spät ein
Sobald ein Stausee errichtet wird, konkurrieren zwei Effekte: Während die wärmende Albedo-Wirkung der Wasserfläche unmittelbar eintritt, steigert sich die CO2-Einsparung erst nach und nach. Dieses Treibhausgas bleibt über mindestens hundert Jahre in der Atmosphäre.
«Wir haben erstmals berechnet, wie lange es bei einem Wasserspeicherkraftwerk dauert, bis der CO2-Einsparungseffekt den Albedo-Effekt besiegt», erklärte Wohlfahrt. Also «einfach gefragt, wie lange dauert es, bis ein Stausee netto auf das Klima kühlend wirkt?»
Der Studie zufolge benötigt die Hälfte der Stauseen weniger als vier Jahre, um netto auf das Klima kühlend zu wirken. Die Wasserkraft kann daher zu den mittelfristigen Klimastabilisierungszielen beitragen.
19 Prozent der Speicherseen benötigen bereits mehr als 40 Jahre, um netto kühlend zu wirken. 13 Prozent brauchen sogar mehr als 80 Jahre. Angesichts einer durchschnittlichen Lebensdauer von rund 80 Jahren sei der Neubau solcher Wasserkraftwerke kontraproduktiv, betont der Wissenschaftler.
In Tropen ist Albedo-Effekt besonders gross
Das gilt vor allem für die Wasserkraft in den Tropen, wo die Sonneneinstrahlung hoch und damit der Albedo-Effekt grösser ist. Wasserkraftwerke in hohen, insbesondere nördlichen, Breitengraden hätten dagegen einen Vorteil, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Arbeit.
Allerdings würden 90 Prozent der derzeit in Planung oder Bau befindlichen Wasserkraftwerke zwischen dem 40. nördlichen und 40. südlichen Breitengrad liegen, was die Forscher als «besonders problematisch» bezeichnen.
Entscheidend ist auch das Verhältnis zwischen jährlicher Energieerzeugung und Seefläche. Je kleiner der Energieertrag in Relation zur Seefläche ist, desto stärker ist der Albedo-Effekt. «Worst case ist daher ein flacher, grosser Stausee im tropischen Klima», betonte Wohlfahrt.
Als Konsequenz ihrer Berechnungen regen die Wissenschaftler an, dass die Berechnung des Albedo-Effektes bei Genehmigungsverfahren berücksichtigt wird.