Zürcher dürfen legal kiffen – aber verlieren Interesse
Teilnehmer einer Cannabis-Studie kiffen legal – und plötzlich weniger. Sucht Schweiz hält diese Aussage für problematisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Rahmen einer Studie kiffen Tausende Menschen in der Schweiz legal.
- Seit sie das dürfen, hat der Konsum laut Studienleiter abgenommen.
- Schwindet mit der Legalität etwa der Reiz am Cannabis-Konsum?
In der Schweiz kiffen Tausende Menschen legal. Erst am vergangenen Freitag verlängerte das Basler Gesundheitsdepartement die Studie zur regulierten Cannabis-Abgabe.
Im September wurde verkündet, dass Stadtzürcher im Rahmen eines Projekts in einem Jahr 300 Kilogramm Cannabis legal verkifft haben.
Ein Treiber dieser Entwicklung ist Lukas Good, Gründer und Präsident des Vereins Swiss Cannabis Research.
Er leitet eine Studie mit 2900 Teilnehmenden aus dem Raum Zürich, die das Konsumverhalten im Rahmen eines Pilotprojekts untersucht. Und es gibt noch Tausende freie Plätze.
Teilnehmer schöpfen Bezugsmengen nicht aus
Auffallend: Die Zürcher verlieren das Interesse am Gras. Good stellt in einer Medienmitteilung fest: «Was bislang auffällt, ist, dass Teilnehmende in unserer Studie die erlaubten Bezugsmengen nicht ausschöpfen.»
Pro Person sind monatlich zehn Gramm THC erlaubt. Beispielsweise 50 Gramm Blüten mit 20 Prozent THC oder 100 Gramm Blüten mit zehn Prozent THC.
Cannabis: Weniger Konsum nach Legalisierung
Hat der Konsum mit der Teillegalisierung abgenommen?
Good antwortet: «Wir haben zwar keine exakten Zahlen, aber unser Verkaufspersonal berichtet, dass viele Teilnehmende in der Studie weniger konsumieren.»
Der Umgang mit Cannabis sei bewusster und moderater geworden.
Ein weiterer Trend zeigt sich laut Good beim Konsumverhalten: «Immer mehr Menschen wünschen sich, Cannabis ohne Tabak konsumieren zu können.»
Auch die Qualität der Produkte sei ein Pluspunkt: «Die Konsumentinnen und Konsumenten sind glücklich, Zugang zu hochwertigen und sicher getesteten Produkten zu haben.»
Für Good steht fest: «Das Bild des enthemmten Cannabis-Konsumenten trifft vermutlich nicht zu.»
Macht Legalisierung das Kiffen unattraktiv?
Eine interessante These wirft die Frage auf, ob Cannabis durch die Legalisierung seinen Reiz verliere.
Good selbst ist vorsichtig und verweist auf gesellschaftliche Veränderungen: «Cannabiskonsum ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.»
Wie beim Alkohol gebe es nicht nur «heavy user». Die Mehrheit konsumiere «moderat».
Kritik von Sucht Schweiz
Frank Zobel, Vizedirektor und Co-Leiter der Forschungsabteilung von Sucht Schweiz, äussert jedoch Skepsis gegenüber Goods Einschätzungen.
Er relativiert die Aussage, dass die erlaubten Bezugsmengen selten ausgeschöpft würden: «Zehn Gramm THC entsprechen 150 bis 300 Joints pro Monat oder fünf bis zehn Joints am Tag.»
Das sei eine Menge, «die nur ein kleiner Teil der Konsumenten erreicht».
Dass viele Teilnehmende die Konsumlimiten nicht ausschöpfen, überrascht Zobel nicht: «Man sollte abwarten, bis eindeutige Daten vorliegen.»
Denn: «Es könnte sein, dass einige weiterhin Cannabis auf dem Schwarzmarkt beziehen, was die Daten verfälscht.»
Er rügt Good dafür, voreilige Schlüsse zu ziehen: «Das alles sind keine Studienresultate, sondern persönliche Einschätzungen.»
Good wolle lediglich Werbung für sein Projekt machen, um damit mehr Teilnehmende zu finden.
Zobel hält fest: «Pilotprojekte sind dazu da, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu gewinnen, nicht um Aufmerksamkeit zu erregen.»
Stabiler Gras-Konsum oder Anstieg?
Zobel selbst leitet ein ähnliches Pilotprojekt namens «Cann-L» in Lausanne.
Seine bisherigen Beobachtungen: «Stand jetzt bleibt der Konsum stabil, und viele Teilnehmende kaufen nicht mehr auf dem Schwarzmarkt.»
Eine abschliessende Bilanz könne jedoch erst später gezogen werden.
Ein Blick ins Ausland, etwa nach Kanada oder in die USA, zeigt, dass der Cannabis-Konsum nach einer Legalisierung zunächst ansteigt.
«Entscheidend wird sein, wie sich der Konsum über mehrere Jahre hinweg entwickelt: Bleibt er stabil, steigt er weiter – oder geht er tatsächlich zurück?» Diese Frage bleibt vorerst offen.