Darum sendet US-Entscheid zu Israels Siedlungen gefährliche Signale
Die US-Regierung sieht Israels Siedlungsbau nicht per se als Verstoss gegen internationales Recht an. Darum ist dieser Entscheid gefährlich. Eine Analyse.
Das Wichtigste in Kürze
- Die US-Regierung sieht Israels Siedlungen nicht als Verstoss gegen internationales Recht.
- Es habe den Friedensprozess nicht vorangebracht, rechtfertigt Mike Pompeo die Kehrtwende.
- Israel ist innenpolitisch geschwächt und steht wohl vor Neuwahlen.
Es kommt wie ein Paukenschlag: Israels Siedlungspolitik im Westjordanland und Ostjerusalem ist nach US-Auffassung kein Verstoss gegen internationales Recht mehr.
Damit stellt sich die Regierung Trumps klar gegen die Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrates. Darin wird Israel zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten aufgefordert. Man verstosse damit gegen internationales Recht.
Entscheid überrascht nicht
Bis anhin trugen die USA diese Auffassung mit, nun kommt die Kehrtwende. Doch obwohl unerwartet, überrascht sie nicht, denn: Sie fügt sich deutlich in eine Reihe von Entscheidungen, die die Regierung Trump zugunsten Israels bereits vollstreckt hat.
Etwa die Anerkennung der von Israel annektierten syrischen Golanhöhen. Oder der Entscheid, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.
Damit fällt Trump erneut den Palästinensern in den Rücken. Aber auch den Europäern stösst er damit vor den Kopf, die klar auf eine Zweistaatenlösung pochen. Diese Lösung scheint damit in weite Ferne gerückt.
Pompeo: «Bringt keinen Frieden»
US-Aussenminister Mike Pompeo argumentiert, dass es den Friedensprozess nicht vorangebracht habe, die Siedlungen illegal zu nennen. «Es wird niemals eine gerichtliche Lösung des Konflikts geben. Argumente, wer völkerrechtlich Recht hat und wer nicht, bringen keinen Frieden.» Und damit mag er recht haben.
Doch mit dem Entscheid konsolidiert die Regierung Trump erneut den Status Quo. Israelische Siedler können weiter ihre Siedlungen in Palästinensergebiet bauen und erhalten neu sogar Rückendeckung der USA.
Klar ist: Auch dies wird weder Frieden zwischen Israelis und Palästinensern bringen, noch hilft es der Befriedung des Nahen Ostens im Allgemeinen.
Israel politisch gelähmt
Doch warum kommt der US-Entscheid gerade jetzt? Pompeo beteuert, es habe keinerlei Zusammenhang mit innenpolitischen Vorgängen in Israel. Doch es ist unverkennbar: Israel steckt derzeit in einem Zustand politischer Lähmung. Denn obwohl Benjamin Netanjahus Likud-Partei bei der Knessetwahlen im April und September am meisten Stimmen machte, brachte der Ministerpräsident beide Male keine erneute Regierungs-Koalition zustande.
In Israel wird innerhalb weniger Monaten wohl ein drittes Mal gewählt. Die US-Kehrtwende wird vor allem in die Hände von Trump-Freund «Bibi» Netanjahu spielen. Auch die US-Anerkennung der Golanhöhen als Israels Territorium und Jerusalem als Hauptstadt kam inmitten «Bibis» Wahlkampf.
Es erstaunt also nicht, dass Netanjahu gestern Abend den US-Entscheid umgehend als Korrektur einer «historischen Fehlentscheidung» lobte.
I spoke on the phone with US President Donald Trump and told him that he had corrected a historic injustice
— Benjamin Netanyahu - בנימין נתניהו (@netanyahu) November 18, 2019
Somebody needed to say a simple truth, and President Trump did this, just as he did with the recognition of the Golan Heights and the moving of the US embassy to Jerusalem
Trump kann zudem mit wenig Gegenwehr aus den Nahostländern rechnen. Die arabischen Staaten – allen voran Syrien und Libyen – sind geschwächt wie nie. Die Saudis erachten Iran derzeit als grösste Bedrohung und ohnehin hat man sie seit dem Khashoggi-Mord quasi im Sack. Die Kritik dürfte verhalten ausfallen.
Trump legitimiert Annexionen
Doch nebst dem die USA den Status Quo zementieren, sendet der Entscheid auch ein weitaus gefährlicheres Signal aus: Was spricht nun noch gegen die russische Annexion der Krim? Und was passiert mit Nordsyrien, wo die Türkei mit seinen Truppen einmarschiert ist?