Nach den Wahlen ist vor den Wahlen: Mehrere EU-Top-Jobs sind ausgeschrieben. Wer diese ergattern wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
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Mehrere EU-Top-Jobs müssen neu besetzt werden. Jean-Claude Juncker (vorne), Donald Tusk (in blau) und Federica Mogherini (in rot) treten ab. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach den Wahlen müssen mehrere EU-Top-Jobs neu besetzt werden.
  • Sowohl Jean-Claude Juncker, Federica Mogherini als auch Donald Tusk treten ab.
  • Auch die Personalie um den Währungshüter der Eurozone wird heiss umkämpft.
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Der wohl grösste Zankapfel nach den EU-Parlamentswahlen von letzter Woche: Wer folgt auf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Das Amt gilt als wichtigster Posten innerhalb der Europäischen Union. Doch vier weitere Top-Jobs sind zu vergeben.

Nebst Junckers Amt werden auch das Ratspräsidium, der Posten des Aussenbeauftragten und das Amt des Parlamentspräsidenten besetzt. Und auch die Europäische Zentralbank erhält einen neuen Chef.

Der Personalpoker hat längst begonnen. Am Dienstagabend trafen sich die Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel.

Erste Personalentscheide erwartet werden jedoch erst am 21. und 22. Juni. Dann treffen sich die Staats- und Regierungschefs abermals zum regulären Halbjahrestreffen.

Eines ist klar: Das Feilschen um die Posten wird nicht mehr so einfach wie vor fünf Jahren. Die beiden grössten Fraktionen EVP und S&D haben zusammen keine Mehrheit mehr im Parlament. Für die Vergabe der Spitzenposten braucht es neu die Unterstützung von mindestens drei Fraktionen. Ein Quid pro quo unter den verschiedenen Fraktionen ist zu erwarten.

EU-Kommissionspräsident:

Die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten werden dem Europäischen Parlament den Kandidaten vorschlagen. Dieser muss von den 751 Abgeordneten im Parlament in einer einfachen Mehrheit bestätigt werden. Wird er nicht bestätigt, muss der Rat einen anderen Kandidaten vorschlagen.

Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker (EVP, Luxemburg): Der bisherige Kommissionspräsident wird voraussichtlich am 1. November 2019 nach fünf Jahren im Amt abtreten.
European People’s Party (EPP) Summit in Belgium
Manfred Weber (EVP, Deutschland): Weber gilt als Spitzenkandidat der grössten Fraktion EVP als Kronfavorit auf das Amt. Seine EVP hat jedoch bei den Wahlen herbe Verluste einstecken müssen.
Europawahl - Brüssel
Frans Timmermans, (SPE, Niederlande): Als Spitzenkandidat der zweitgrössten Fraktion der Sozialdemokraten angetreten, hofft er weiterhin auf das Amt des Kommissionspräsidenten. Als Erster Vi
ALDE Pre-summit meetings of European Council
Margrethe Vestager (ALDE, Dänemark): Sie ist Wunschkandidatin des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dessen Partei neu in der ALDE-Fraktion ist. Als Wettbewerbskommissarin ist sie Eu
General Affairs Council on Article 50
Michel Barnier (Frankreich): Barnier hat sich als Brexit-Chefunterhändler einen Namen verschafft. Da er kein Spitzenkandidat einer Fraktion ist, hat er nur Aussenseiter-Chancen. Sollte sich

EU-Ratspräsident:

Auch für EU-Ratspräsident Donald Tusk wird ein Nachfolger gesucht. Der Ratspräsident ist zwar nicht stimmberechtigt. Aber als Organisator und Leiter der Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs kann er die Themensetzung beeinflussen. Der Ratspräsident wird direkt von den 28 Staats- und Regierungschefs ernannt.

European Parliament election in Belgium
Donald Tusk (Polen): Tusk wird Ende November als Ratspräsident abtreten. 2014 wurde er zum Präsidenten des Europäischen Rates ernannt. Nun will sich der 62-Jährige wieder in der polnischen P
EU heads of state or government summit in Brussels
Angela Merkel (Deutschland): Zunächst im Gespräch war die deutsche Bundeskanzlerin. Jedoch hat Merkel abermals klargestellt, dass sie ihre Bundeskanzler-Legislatur bis 2021 durchziehen werde
Summit meetings of European Council
Dalia Grybauskaite (Litauen): Als Kandidatin hoch gehandelt wird die abtretende litauische Staatspräsidentin. Sie ist in ihrer Heimat populär und auch innerhalb der EU geniesst sie ein posit
Europawahl - Belgien
Charles Michel (Belgien): Auch der belgische Premierminister wird als Kandidat gehandelt. Michel wurde 2014 mit 38 Jahren zum jüngsten Regierungschef Belgiens. In vergangenem Dezember kündig
EU heads of state or government summit in Brussels
Mark Rutte (Niederlande): Seit 2010 ist Rutte Ministerpräsident der Niederlande. Der Chef der bürgerlich-liberalen Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VDD) gilt ebenfalls als möglicher

EU-Aussenbeauftragter:

Abtreten wird auch die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini. Als «EU-Aussenministerin» ist sie zuständig für die Aussen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Der Aussenbeauftragte gehört der Kommission an und wird vom Europäischen Rat ernannt. Das Amt ist an das Mandat der Mitgliedstaaten gebunden.

Der Aussenbeauftragte kann keine Entscheidungen im Alleingang treffen und muss die aussenpolitischen Positionen der Mitgliedstaaten berücksichtigen.

European foreign affairs council
Federica Mogherini (Italien): Seit 2014 ist Mogherini hohe Vertreterin der EU für Aussen- und Sicherheitspolitik. Zuvor war sie kurzzeitig italienische Aussenministerin.
European Parliament election in Belgium
Frans Timmermans (Niederlande): Sollte Timmermans nicht EU-Kommissionspräsident werden, wird er als Aussenbeauftragter gehandelt. Als ehemaliger Aussenminister der Niederlande bringt er die

EU-Parlamentspräsident:

Das neu gewählte Parlament wird auch einen neuen Präsidenten bestimmen. Dies dürfte am 2. Juli bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments geschehen. Der Präsident leitet die Plenarsitzungen und repräsentiert das Parlament in allen Aussenangelegenheiten.

Der Kandidat für das Präsidium benötigt das absolute Mehr der Stimmen. In den vergangenen Jahren teilten sich die beiden grössten Fraktionen die Legislatur. Dies dürfte künftig nicht mehr möglich sein.

Summit meetings of European Council
Antonio Tajani (Italien): Bisheriger Amtsinhaber ist Antonio Tajani von Silvio Berlusconis Partei Forza Italia. Er will offenbar erneut für das Amt kandidieren.
Nach der Europawahl - EU-Sondergipfel in Brüssel
Manfred Weber (Deutschland): Sollte Weber doch nicht Kommissionspräsident werden, wird der Bayer auch als Parlamentspräsident gehandelt.

EZB-Präsident:

Auch das Präsidium der Europäischen Zentralbank steht in diesem Jahr zur Debatte. Die Amtszeit von Mario Draghi geht nach acht Jahren zu Ende. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen.

Der Zufall will es, dass die Wahl des EZB-Chefs mit der Bestellung der weiteren EU-Ämter zusammenfällt. Der oberste Währungshüter der Eurozone wird am 1. November das Amt antreten.

mario draghi
Mario Draghi (Italien): Draghi war 2011 kurz nach der Euro-Währungskrise angetreten. Der Italiener machte sich einen Namen als Verhinderer einer Eskalation der Eurokrise.
Bilanz-Pk Deutsche Bundesbank
Jens Weidmann (Deutschland): Der Chef der Deutschen Bundesbank gilt als möglicher Anwärter und ist Kronfavorit von Bundeskanzlerin Merkel. Offenbar würde Merkel für seine Ernennung die Perso
Benoît Coeuré (Frankreich): Coeuré ist EZB-Direktoriumsmitglied und gilt als mögliche Alternative für Weidmann.
François Villeroy de Galhau (Frankreich): Als weiterer Kandidat ist der Franzose Villeroy de Galhau. Er ist Vorsitzender der französischen Nationalbank.
Olli Rehn (Finnland): Gehandelt wird auch der finnische Zentralbankchef.
Erkki Liikanen (Finnland): Und ebenfalls könnte der ehemalige finnische Zentralbankchef und Rehn-Vorgänger Liikanen ins Rennen gehen.

Auch die Herkunft und das Geschlecht dürfte schliesslich darüber entscheiden, wer am Ende in das jeweilige Amt gewählt wird.

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