So kompliziert wird es um Jean-Claude Junckers Nachfolge
Wer tritt die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an? Die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten sind sich nicht einig.
Das Wichtigste in Kürze
- Jean-Claude Juncker wird als EU-Kommissionspräsident abtreten.
- Aussichtsreichster Kandidat ist der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber.
- Doch der Machtpoker zwischen EP und ER könnte die Personalie über Wochen herauszögern.
Die Europaratswahlen sind vorbei und eines ist klar: Zu den Verlierern gehören die christlich-demokratische Fraktion der EVP und die sozialdemokratische Fraktion der S&D. Erstmals in der Geschichte des Europarates kommt die Koalition der beiden Fraktionen nicht mehr auf eine Mehrheit.
Doch trotz herben Verlusten sind die beiden Fraktionen noch immer die zwei Stärksten. Nun stellt sich die Frage, mit welcher dritten Fraktion schliesst sich die Koalition zusammen.
Doch noch viel interessanter ist die Frage, wer beerbt das Amt des abtretenden Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker (EVP)? Mehrere Kandidaten stehen in den Startlöchern für das Amt des Vorstehers der einflussreichen EU-Kommission.
Heute Dienstagabend beraten die Staats- und Regierungschefs in einem EU-Sondergipfel über die Personalie. Was dabei herausschaut, ist allerdings noch völlig offen – und es könnte sich noch Wochen hinziehen.
Europaparlament will Spitzenkandidat
Geht es nach den Chefs der Fraktionen im Europaparlament (EP), so soll nur ein Europawahl-Spitzenkandidat gewählt werden. Und dies hat eine grosse Bedeutung, denn das EP muss mit einer Mehrheit den Kommissionschef im Amt bestätigen.
Damit rückt besonders ein Name in die Favoritenrolle: Manfred Weber. Der deutsche CSU-Mann ist Spitzenkandidat der grössten Fraktion EVP. Unterstützung bekommt Weber von Angela Merkel. Die deutsche Bundeskanzlerin hat mehrmals ihre Unterstützung für den Kandidaten aus der CDU/CSU-Union zugesichert.
Kommts zum Machtpoker zwischen Europaparlament und Europäischem Rat?
Widerstand dagegen gibt es aus dem Europäischen Rat (ER). Der Rat der Staats- und Regierungschefs der (noch) 28 Mitgliedstaaten hat das offizielle Vorschlagsrecht für den Posten des Kommissionspräsidenten.
Der französische Präsident Emmanuel Macron zählt zu den Gewinnern der Wahlen. Er war mit seiner Partei «La République en Marche» erstmals angetreten. Seine Partei sieht sich in der Fraktion der liberalen ALDE, die zur drittstärksten Kraft im EP gewählt worden ist.
Die Spitzenkandidatin der ALDE-Fraktion, die Dänin Margrethe Vestager, gilt deshalb weiterhin als aussichtsreiche Kandidatin. Besonders, weil ihre ALDE besonders zulegen konnte. Für Vestager spricht, dass sie als EU-Kommissarin für Wettbewerb in Junckers Kommission tätig war. Sie hat deshalb bereits grosse Erfahrung mit dem Gremium.
Zudem ist Vestager eine Frau. In Junckers- Kommission waren weibliche Kommissare (acht von 28) deutlich untervertreten. Vestager machte ihre Ambitionen vor den Wahlen deutlich. Dies, indem sie klar stellte, dass Frauen und Männer im zukünftigen Führungspersonal der EU gleichermassen repräsentiert sein sollten.
Auch Merkel sieht Zeit für eine Frau gekommen
Unterstützung dafür gibt es im Prinzip auch von Merkel. Auch sie hält eine Frau an der Spitze der EU-Kommission für überfällig. Und dass Vestager eine kluge und kompetente Kandidatin ist, glaubt auch die Kanzlerin. Jedoch wäre ein Votum ihrerseits gegen Weber auch ein Votum gegen den Kandidaten aus der eigenen Union.
Möglich auch, dass sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Nicht-Spitzenkandidaten einigen – eine Kompromisslösung sozusagen. Im Köcher steht da etwa Mister Brexit Michel Barnier. Der Franzose hat sich als Brexit-Chefunterhändler Respekt und Rückhalt in den Mitgliedsstaaten verschafft.
Die Visegrad-Staaten sehen etwa Maros Sefcovic als geeigneten Kandidaten. Der Slowake ist Vizepräsident der Kommission und Kommissar für die Energieunion.
Junckers Amtszeit endet voraussichtlich im Herbst. Doch je nachdem, wie lange sich das Tauziehen zwischen EP und ER hinauszieht, könnte der Luxemburger noch im nächsten Jahr Kommissionschef sein.