Saudi-Arabien lässt Antworten im Fall Khashoggi vermissen

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Türkei,

Saudi-Arabien hat den Tod des kritischen Journalisten Khashoggi eingeräumt. Trotzdem fehlt noch immer der Leichnam. Viele Fragen bleiben weiterhin offen.

Turan Kislakci, Leiter des türkisch-arabischen Medienverbandes und Freund des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi, spricht in der Nähe des Konsulats von Saudi-Arabien in Istanbul mit Journalisten. Viele Fragen im Fall Khashoggi sind immer noch offen.
Turan Kislakci, Leiter des türkisch-arabischen Medienverbandes und Freund des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi, spricht in der Nähe des Konsulats von Saudi-Arabien in Istanbul mit Journalisten. Viele Fragen im Fall Khashoggi sind immer noch offen. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Samstag hat Saudi-Arabien offiziell den Tod von Journalist Khashoggi eingeräumt.
  • Noch immer sind viele Fragen offen.
  • Auch der Verbleib der Leiche des 59-Jährigen ist immer noch unbekannt.

Für viele einfach nur unglaubwürdig: Die saudische Schreibweise des Falls Khashoggi ist für mancher eins nicht nachvollziehbar. Denn zu viele Fragen bleiben offen.

Seit Samstag gilt der Journalist und Kritiker des saudi-arabischen Königshauses Jamal Khashoggi als offiziell tot. Saudi-Arabien hatte, nach tagelangem Abstreiten von Kenntnissen, den Tod des 59-Jährigen eingeräumt. Demnach war es laut saudischer Leseart auf dem saudischen Konsulat in Istanbul beim Verhör Khashoggis zu einer «Schlägerei» mit Männern gekommen, «die zu seinem Tod führte». Die Erklärung von Generalstaatsanwalt Scheich Saud al-Modscheb liess aber offen, wer für die angebliche Schlägerei schuld sein könnte.

Im Gegensatz zur knappen, saudischen Schilderung eines schiefgelaufenen Verhörs, deutet die türkische Version der Geschehnisse auf eine vorsätzliche Tötung Khashoggis hin und erscheint um einiges plausibler. Was es mit den 15 Personen auf sich hat, haben die Saudis bisher nicht erläutert. Dass diese allein für ein Verhör Khashoggis eingeflogen wurden, welches dann in einer «Schlägerei» endete, klingt doch äusserst fragwürdig.

Khashoggi war letztmals am 2. Oktober lebend gesehen worden. Auf Videomaterial ist zu sehen, wie der Journalist das Konsulat in Istanbul betritt – danach fehlt von ihm jede Spur. 

Die letzte Aufnahme des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi beim Betreten des saudischen Konsulats in Istanbul, Türkei.
Die letzte Aufnahme des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi beim Betreten des saudischen Konsulats in Istanbul, Türkei. - keystone

Was ist mit den 15 verdächtigen Personen?

Die saudische Darstellung der Geschehnisse um den Fall Khashoggi geben Unmengen an Rätseln auf. Etwa, was es mit den 15 verdächtigen Männern auf sich hat, die nach Darstellung der türkischen Ermittler kurz vor dem Verschwinden Khashoggis aus Saudi-Arabien eingeflogen und noch am selben Tag wieder ausgeflogen wurden. Die türkische Seite geht anhand von belastenden Tonaufnahmen davon aus, dass es sich bei diesen 15 Personen um ein Mordkommando handelt.

Unter den Verdächtigen befand sich demnach auch Salah Muahmmed al-Tubaigy, der Chef-Forensiker des nationalen Sicherheitsdepartements und enger Vertrauter des saudischen Königshofs. Angeblich sei auf den Aufnahmen im Besitz der türkischen Ermittler zu hören, wie Khashoggi im Laufe des Verhörs die Finger abgeschnitten worden sind, bevor man ihm eine Spritze verpasste und er daraufhin von al-Tubaigy in Stücke zersägt wurde.

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Zwei der 15 verdächtigen Personen, die am 2. Oktober im Atatürk-Flughafen in Istanbul aufgenommen wurden. Gleichen Tags verliessen die 15 Verdächtigen das Land wieder. - keystone

Warum spätes saudisches Bekenntnis?

Fraglich ist auch, weshalb die saudische Führung erst so spät offiziell den Tod von Khashoggi eingeräumt hat. Über ein schiefgelaufenes Verhör wäre mindestens die Führung des saudischen Geheimdienstes informiert worden. Spätestens ab dem 7. Oktober, als türkische Medien vom mutmasslichen Mord an Khashoggi berichteten, sollten in dieser Leseart auch die obersten Instanzen der saudischen Regierung informiert worden sein.

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Türkische Forensiker untersuchen das saudische Konsulat in Istanbul. - keystone

Wäre dem nicht so, hiesse das, der saudische Geheimdienst kann schalten und walten wie er will. In Saudi-Arabien, wo die Machtstruktur jedoch nur auf eine Person hinzeigt, nämlich auf Kronprinz Mohammed bin Salman (kurz: MBS), ist dies auszuschliessen.

Was wusste MBS?

Darum die Frage: Was wusste MBS? Hatte er von der Tötung Khashoggis bereits seit längerem gewusst? Hat er den Mord an Khashoggi gar angeordnet? Klar ist: Der 33-jährige Sohn und Thronfolger von König Salman – und faktischer Strippenzieher im Land – ist bekannt für seinen harten Führungsstil und auch für repressives Vorgehen gegen Kritiker, Menschenrechtsaktivisten und Oppositionelle. Bekannt ist gemäss einem Bericht der «New York Times» auch, dass die Verdächtigen aus dem Umfeld von MBS stammen.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in London.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in London. - Keystone

Aus dem tagelangen Abstreiten von Kenntnissen und dem späten Schuldeingeständnis der saudischen Regierung lässt sich schliessen, dass man sich genügend Zeit nehmen wollte, um an einer offiziellen Version zu feilen, die man der Welt präsentieren konnte. Eine offizielle Version, die nicht auf König Salman oder Kronprinz MBS zurückfällt.

Dafür hat man zwei Schuldige präsentiert. Einerseits Vize-Geheimdienstchef Ahmad al-Assiri und andererseits den Medienberater des Königshauses Saud al-Khatani. Beide sind für ihr hartes Durchgreifen gegen unliebsame Kritiker berüchtigt. Ob sie tatsächlich schuld am Tod Khashoggis sind, oder nur als Sündenböcke für Versagen an höherer Stelle herhalten müssen, ist allerdings unklar. Gleichzeitig bekommt der Kronprinz vom König neue Befugnisse über die Geheimdienste des Landes.

Wo ist die Leiche?

Eine weitere wichtige Frage, die Hinweise am Mord von Khashoggi liefern könnte ist, wo sich die Leiche befindet. Laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf zwei Insider beruft, vermuten die türkischen Ermittler, den Leichnam in einem Wald am Rande von Istanbul, sowie in einem ländlichen Gebiet südlich der türkischen Metropole zu finden. Nun werden Stimmen laut, die von Saudi-Arabien die Aufklärung über den Verbleib des Leichnams fordern.

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In diesem Bild, das aus einem Video von Metafora Production vom März 2018 stammt, spricht Jamal Khashoggi während eines Interviews. - dpa

Es scheint, als lässt Saudi-Arabien noch immer eine sachdienliche Zusammenarbeit mit den türkischen Ermittlern vermissen. Dass gleichzeitig auf eine offene und klare Kommunikation verzichtet wird, lässt zusätzliche Zweifel an der saudischen Version des Khashoggi-Todes aufkommen.

Der permanente Druck aus anderen Staaten – etwa von Präsident Emmanuel Macron aus Frankreich, Premierministerin Theresa May aus Grossbritannien oder der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel – wäre nun nötig, um die Monarchie zu einer offenen, tiefgründigen und schnellen Klärung des Falls Khashoggi zu drängen – auch mit der Frage, inwiefern die Machtelite darin verwickelt ist. Doch zu wichtig erscheinen die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Golfstaat. Denn: Verglichen mit dem Fall des russischen Doppelagenten Skripal etwa, ist der Aufschrei innerhalb der EU-Staaten bedeutend leiser ausgefallen.

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