Scheitert Angela Merkel an der Flüchtlingsfrage?

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Deutschland,

Kanzlerin Merkel ist unter Druck: Findet sie bis Ende Monat keine europäische Lösung im Migrationsdossier, könnte die Union von CDU und CSU auseinander brechen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) konnten sich doch noch einigen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) konnten sich doch noch einigen. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • CSU-Chef Seehofer will die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze anordnen.
  • Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wäre dies eine rote Linie.
  • Der Union zwischen CDU und CSU droht der Bruch.

Es werden zwei schwierige Wochen für Bundeskanzlerin Angela Merkel und eine Zerreissprobe für die Union zwischen der CDU und der bayrischen CSU. Noch bis Ende Monat gibt der CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer der Kanzlerin Zeit, um eine europäische Lösung für die Flüchtlingsproblematik auszuarbeiten. Sonst droht Seehofer mit dem nationalen Alleingang. Heisst: Er wird die Zurückweisung von bestimmten Flüchtlingen an der deutschen Grenze anordnen.

Konkret geht es darum, dass Seehofer Asylbewerber, die in einem anderen EU-Land registriert wurden, in dieses Land zurückschicken will. Angela Merkel – selbst Parteivorstehende der CDU – will hingegen eine europäische Lösung der Asylproblematik. Eine nationale Lösung kommt für sie nicht in Frage. Sie droht bei einem Alleingang des Innenministers mit dessen Entlassung aus ihrer Regierung. Damit wäre die Union am Ende – und gleichzeitig auch die Koalitionsregierung zwischen Union und SPD. Es käme wohl zu Neuwahlen in Deutschland.

Die Koalition zwischen SPD (Olaf Scholz, l.) CDU (Angela Merkel) und CSU (Horst Seehofer) steht auf dem Spiel.
Die Koalition zwischen SPD (Olaf Scholz, l.) CDU (Angela Merkel) und CSU (Horst Seehofer) steht auf dem Spiel. - Keystone

Streitpunkt Migration nicht neu

Der Streit zwischen CDU und CSU um die deutsche Migrationspolitik ist nicht neu. Seit der Flüchtlingskrise ab 2015 steht Merkel nicht nur von Seiten CSU in der Kritik. Ihr gibt man die Schuld am Flüchtlingsansturm auf Deutschland und ihr «Wir schaffen das» versteht man als eine Einladung an die Migranten – für Seehofer einen «Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird.» Dass wohl die florierende Wirtschaftslage das Land für Migranten attraktiv macht, geht bei der CSU vergessen.

Was steckt hinter Seehofers Drohung?

Grund für Seehofers Ultimatum an Merkel beim Thema Migration ist auch Parteipolitik des CSU-Chefs. Im Oktober stehen in Bayern die Landtagswahlen an. Es wird erwartet, dass auch in Bayern die rechtspopulistische AfD Fuss fassen wird.

Gut möglich, dass Seehofer der AfD das Wasser abgraben will und deshalb auf Populismus macht. Oder schielt der Innenminister gar nach Österreich: Dort paktiert die bürgerlich-konservative ÖVP um Bundeskanzler Sebastian Kurz mit der rechtspopulistischen FPÖ.

Die AfD könnte die CSU in Bayern in Bedrängnis bringen.
Die AfD könnte die CSU in Bayern in Bedrängnis bringen. - Keystone

Kurze Verschnaufpause für Merkel

Merkel hat nun bis zum Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs vom 28. und 29. Juni Verschnaufpause – Hauptthema dort: Migration. Für die Kanzlerin müssen dort Ergebnisse her, sonst wird es eng für die Union. Heisst: Sie und die restlichen EU-Staatschefs müssen sich auf einen Verteilschlüssel für Asylbewerber innerhalb der EU einigen. Doch auf Partner wie Viktor Orbán in Ungarn oder Mateusz Morawiecki in Polen kann Merkel nicht setzten.

Sie strebt deshalb nun bilaterale Abkommen mit Staaten wie Österreich, Griechenland oder Bulgarien an. Unterstützung erhofft sie sich auch von Italien und Frankreich. Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte war am Montag zu Besuch bei Merkel. Heute traf sie mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammen, um gemeinsame Vorschläge für den EU-Gipfel auszuarbeiten.

Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte war am Montag zu Besuch bei Merkel.
Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte war am Montag zu Besuch bei Merkel. - Keystone

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