2020 wird für Schweizer Tourismus wegen Corona Jahr zum Vergessen
Das Wichtigste in Kürze
- 2020 wird für den Schweizer Tourismus ein Jahr zum Vergessen.
- Bis die Nachfrage sich wieder vollständig erholt, dürfte es noch lange dauern.
- Alle Tourismusgebiete der Schweiz sind massiv betroffen.
Wegen des Coronavirus wird 2020 für den Schweizer Tourismus ein Jahr zum Vergessen. Die Branche war in den ersten zwei Monaten noch auf Rekordjagd. Im März kam wegen der behördlichen Schliessungen der Absturz und im April praktisch der Totalausfall.
Bis die Nachfrage sich wieder vollständig erhole, dürfte es noch lange dauern. Dies stellten Vertreter von Schweizer Tourismusorten und -Anbietern am Mittwoch in einer Onlinekonferenz fest.
Die Tourismusregion Engadin sei bis im Februar auf Kurs gewesen, das Vorjahr nochmals zu übertreffen. Dabei sei schon das Tourismusjahr 2019 (November 2018 bis Ende April 2019) das beste seit 2011 gewesen. Dies sagte Jan Steiner von der Vermarktungsorganisation Engadin St. Moritz Tourismus AG.
Rückgang ist verheerend
Dann seien nach den Schliessungen durch den Bundesrat die Übernachtungen Mitte März abgestürzt. Im gesamten Monat März habe sich ein Minus von gut 60 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat angehäuft. Damit liege die gesamte Wintersaison bis Ende um knapp 11 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum.
Und im April belaufe sich der Rückgang gar auf rund 90 Prozent, sagte Steiner im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP: «Das ist verheerend.» Die Auswirkungen auf das Gesamtjahr könne er noch nicht beziffern. Grob geschätzt könnte der Rückgang 20 bis 25 Prozent betragen.
Ins selbe Horn stiess der Chef der Rigi Bahnen, Frédéric Füssenich: «Wir sind im Auge des Sturms.» Auch während der Corona-Schliessungen habe man einen reduzierten Fahrplan nach Rigi Kaltbad für die dort wohnenden Einheimischen aufrecht erhalten müssen. Dies dürfte von Mitte März bis zur erhofften Wiedereröffnung am 8. Juni einen zusätzlichen Verlust von 0,35 Millionen Franken bescheren.
Internationale Gäste bleiben aus
Bereits 2019 sank der Umsatz der Rigi Bahnen um 1,1 Prozent auf 29 Millionen Franken. Während der Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisationen (EBITDA) um 7,8 Prozent auf 7,1 Millionen Franken schrumpfte. Man habe 935'000 Passagiere befördert. Davon waren 40 Prozent Ausländer.
«Im laufenden Jahr 2020 gehen wir nicht davon aus, dass die internationalen Gäste kommen werden», sagte Füssenich. Ursprünglich habe man mit einem Umsatz von 30 Millionen und einem EBITDA von 8 Millionen Franken budgetiert. Das ist nun Makulatur. Der Umsatz dürfte heuer auf 17,5 Millionen Franken absacken, erklärte der Chef des Unternehmens.
Durch das Ausbleiben der internationalen Gäste wegen der Reisebeschränkungen würden schon 11 Millionen Franken Umsatz fehlen. Hinzu komme, dass über drei Monate kein touristischer Betrieb möglich sei. 2020 werde ein Jahr zum Vergessen, erklärte Füssenich. Die Rigi Bahnen stünden vor einer der grössten Herausforderungen ihrer 150-jährigen Geschichte.
Neustart 2021
Derzeit gehe man davon aus, dass der Bundesrat eine Öffnung am 8. Juni gutheissen werde. «Die Einschränkungen dürften aber länger dauern als uns lieb ist», sagte Füssenich. «Wir setzen auf Schweizer Gäste.»
Er rechne mit einem Neustart im Jahr 2021. Bis dahin würden die Investitionen zurückgefahren und die Kosten gesenkt. Die Kurzarbeit helfe sehr.
Auf das richtige Pferd setzten
Ähnlich klang es beim Direktor von Engelberg-Titlis Tourismus, Andres Lietha: Insgesamt zähle die Region 800'000 Übernachtungen. Davon seien allein im März und April schon 40'000 Übernachtungen weggebrochen. Dadurch seien 7 Millionen Franken Umsatz verloren gegangen. «Normalerweise haben wir von April bis Juni Hochsaison», weil man auch auf dem Gletscher noch Skifahren könne.
Zudem mache die Region Engelberg überdurchschnittlich viel Geschäft mit ausländischen Touristen. «Von Juli bis November werden 40'000 Hotellogiernächte aus dem internationalen Tourismus fehlen», sagte Lietha. Hotels, die vor allem auf asiatische Gäste gesetzt hätten, müssten jetzt mit Hochdruck neue Kunden suchen.
Hotels, die hingegen auf einheimische Touristen setzen würden, verzeichneten einen guten Buchungsstand. Auch die Buchungen von Campingplätzen und Ferienwohnungen seien gut, sagte Lietha.
Buchungslage nicht berauschend
Bei den fünf Radisson Hotels in der Schweiz sei die Buchungslage nicht berauschend, sagte Schweiz-Verantwortlicher Daniel Twerenbold. Bis vor allem die internationalen Gäste wieder zurückkommen würden, dürfte es Spätherbst werden. Überdies würden die Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus die Kosten nach oben treiben. «Wir hoffen, dass keine zweite Ansteckungswelle kommt.»
Bei der Parahotellerie Schweiz sei man nach einem fulminanten Start ins 2020 abrupt gestoppt worden. Dies sagte Janine Bunte, CEO Schweizer Jugendherbergen & Vorsitzende der IG Parahotellerie Schweiz. «Im Grundsatz rechnen wir mit 30 bis 50 Prozent Umsatzausfall für 2020. Wir haben keine Chance, die Verluste wieder aufzuholen.»