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«6er im Lotto»: Warum dieses Männer-Lob Frauen auf die Palme bringt

Karin Aebischer
Karin Aebischer

Bern,

Tut ein Mann viel im Haushalt und ist er oft mit den Kindern, heisst es zur Frau: «Du hast einen Sechser im Lotto». Doch diese Aussage ist auch problematisch.

Vater
Kauft ein Vater die Geschenke für die Kinder oder kümmert sich um die Arzttermine, wird das oft als überdurchschnittlich bewertet. (Archivbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Patriarchale Denkweisen herrschen immer noch vor. Das zeigen alltägliche Aussagen.
  • So müssen sich Frauen anhören, sie hätten mit ihrem Partner einen «6er im Lotto» gemacht.
  • Das ist in den Augen von Paartherapeut Klaus Heer «Flachniveau-Partygeplänkel».

«Oh, du hast aber Glück» – kriegen Frauen oft zu hören, wenn ihr Partner im Haushalt anpackt, viel mit den Kindern macht, das Familienleben mitplant und somit den Mental Load mit der Frau teilt.

Ein sogenannter «Sechser im Lotto» sei das, finden oft andere Frauen. Doch diese Aussage ist problematisch. Und eckt an.

«So ein Bullsh*t», schreibt etwa eine Frau und Mutter auf dem Instagram-Account der deutschen Autorin und Erziehungsexpertin Nora Imlau.

Die Frau erklärt: «Ich hasse diese Aussage. Sie sagt im Grunde über mich und meine Partnerschaft aus, dass es ein reiner (unverdienter?) Zufall für mich war, diesen Mann zu ‹bekommen›.»

Diskussion
Auf dem Instagram-Account von Nora Imlau lief die Diskussion über den «Sechser im Lotto» heiss. (Archivbild) - Screenshot Instagram/@noraimlau

Glück sei dies nicht, betont die Followerin. Sondern «harte Arbeit, Gespräche, Reflexion und ja ... ein bisschen gute Vorauswahl!»

«Männer werden für Basisanforderungen gelobt»

Für den Berner Paartherapeuten Klaus Heer ist das Männer-Lob «eine unbedachte Floskel». Diese Denkweise sei früher einmal als Kompliment gemeint gewesen. Ähnlich wie die Bezeichnung Traumfrau. «Inzwischen tut jede Frau gut daran aufzuwachen, statt zu träumen», so Heer.

Psycho- und Paartherapeut Reto Mischol hebt hervor, dass diese Aussage oft zwar liebevoll und wertschätzend benutzt wird.

Problematisch werde sie dann, wenn sie Verhaltensweisen hervorhebt, die in einer gleichberechtigten Beziehung selbstverständlich sein sollten. «Wie Care-Arbeit oder respektvolle Kommunikation.»

Lebst du in einer gleichberechtigten Partnerschaft?

Denn die Haltung der «Sechser-im-Lotto»-Aussage sei Folgende: «Männer werden schon für Basisanforderungen gelobt, während Frauen dieselben Aufgaben als selbstverständlich zugeschrieben werden», erläutert Reto Mischol.

Somit könne der Ausspruch auch als abwertend empfunden werden. «Die Aussage reduziert die Leistung der Frau auf Glück, statt ihre bewusste Partnerwahl oder Ansprüche anzuerkennen.»

Gleichzeitig schwinge mit, dass Frauen generell mit weniger rechnen müssen und ein fürsorglicher Partner eine Ausnahme sei. «Das wirkt abwertend, auch wenn es oft nicht so gemeint ist», so der Psychotherapeut.

Salome Roesch berät Paare bei «Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich» und sieht noch einen anderen Aspekt: «Die Bemerkung zeigt auf, dass Care-Arbeit und sogenannte weibliche Eigenschaften wie wertschätzende Kommunikation, Einfühlungsvermögen und vernetzt Denken nach wie vor unterbewertet werden in der Gesellschaft. Nice to have zwar, aber nicht lohnwirksam.»

Da der grössere Teil dieser Betätigungsfelder von Frauen bevölkert sei, würden prozentual viel mehr Frauen erleben, dass ihre Arbeit als weniger Wert eingestuft wird, so Roesch.

Von wo kommt diese Denkweise?

Dass Männer in patriarchalen Strukturen als «Helfer» galten, wenn sie sich einbrachten, wirkt somit noch bis heute nach, wie Reto Mischol ausführt. «Männer, die gleichberechtigt handeln, gelten noch immer als Ausnahme, statt als Normalfall.»

Paartherapeut Klaus Heer doppelt nach: «Es gab einst einen Zeitgeist, wo man Liebe mit Besitz verwechselte. Heute ist es strittig, ob diese Epoche wirklich vorbei ist. Ich kenne einige Männer und auch Frauen, die diese Zeitenwende noch nicht oder nicht ganz geschnallt haben.»

Denn, so betont Heer: «Wir sind weniger weit, als wir glauben.»

Seine langjährige Erfahrung zeige: Viele Frauen lassen sich auf eine Familiengründung ein, weil ihnen ihr Partner tatkräftige Mithilfe bei der unbezahlten Arbeit zu Hause verspricht. «Dieses abenteuerliche Vertrauen wird aber sehr häufig enttäuscht. Warum? Weil ein Versprechen keine vertragliche Bindung ist.»

Wo stehen wir 2024 im Prozess, solche Denkweisen zu durchbrechen?

Auch Reto Mischol findet: «Der Weg zu echter Gleichberechtigung ist noch lang.» Besonders nach der Geburt von Kindern würden viele Paare wieder traditionelle Rollen leben.

Salome Roesch sieht in ihren Paarberatungen diverse Welten. «Ich sehe Männer, welche über gute soziale Kompetenzen verfügen und sich sowohl in der Beziehung, als auch in der Erziehung engagieren. Ich sehe Frauen, welchen es Mühe macht, den Vätern bei der Erziehung Verantwortung zu übergeben.»

Und natürlich sehe sie auch das Gegenteil: patriarchale Vorstellungen und Mütter, welche grosses Vertrauen haben zu den Vätern.

«Frauen müssen Rechte durchsetzen»

Frauen müssten ihre Rechte klar einfordern und durchsetzen, damit sich etwas ändert, so Klaus Heer. «Frauen und Männer haben gleichermassen ein Recht auf den aufrechten Gang.»

Es brauche auch politische Massnahmen, betonen Salome Roesch und Reto Mischol. Wie etwa gleiche Elternzeit für beide Partner oder Entlöhnung der Care-Arbeit.

Noch etwas sei genauso wichtig, betont Mischol: «Vor allem müssen Paare früh über Erwartungen sprechen und Verantwortung bewusst aufteilen, damit Männer nicht «helfen», sondern Verantwortung übernehmen.»

Absprachen früh in der Beziehung sind wichtig. - pexels

Und wie nun reagieren, wenn man mit der «Sechser-im-Lotto»-Aussage konfrontiert wird?

Salome Roesch rät, zurückzufragen: «Würdest du das auch umkehrt sagen?» Eine solche Bemerkung könne zu einem spannenden Gespräch führen.

Frauen könnten humorvoll reagieren, so Mischol, im Sinne von: «Stimmt, und er hat auch einen Sechser mit mir gemacht – wir sind ein gutes Team.» Das lenke die Wertschätzung in eine gegenseitige Richtung.

Oder selbstbewusst betonen: «Ich habe keinen Sechser im Lotto gemacht, sondern einen Partner gewählt, der meinen Ansprüchen entspricht.»

Wichtig sei, sich nicht kleinmachen zu lassen und klarzumachen, dass eine Partnerschaft nicht nur Glückssache, sondern auch Teamarbeit ist.

Kommentare

User #4560 (nicht angemeldet)

"Partner auf Augenhöhe gesucht..." - sorry was? hackts?

User #6749 (nicht angemeldet)

Schön dass wir solche Probleme haben.

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