Junge bezahlen für Lifestyle des Partners – Expertin warnt
Für mehr gemeinsame Zeit wird gern auch mal die Pärchen-Reise spendiert. Doch aufgepasst: auch gut gemeinte Gesten können böse enden.
Das Wichtigste in Kürze
- Besonders bei jüngeren Paaren wird der gemeinsame Freizeit-Spass oft einseitig bezahlt.
- Öfter verdient die eine Partei bereits, während die andere noch in der Ausbildung ist.
- Experten warnen: Regelmässige Finanzierungen ohne Absprache enden gern in Beziehungs-Zoff.
Es ist Freitag und Alex* freut sich: Dieses Wochenende kommt seine Freundin Mia* zu ihm nach Basel in die Stadt. Sie haben eine gute Zeit. Am Freitag gehen sie nett essen und am Samstag ins Kino. Die Rechnungen übernimmt wie immer er: «Ich bestehe darauf», sagt er.
Für Mia sei das alles schliesslich etwas teuer. Die 22-Jährige kommt von der deutschen Seite der Landes-Grenze.
«Dort sind die Preise und Löhne nun mal anders als in Basel», sagt sie zu Nau.ch. Sie habe aber Alex nie darum gebeten, für sie zu zahlen.
Schon im Sommer ging das junge Paar auf Kosten von Alex zusammen in die Ferien. Auch die Planung der Reise übernahm er.
Der Gesamtbetrag von 2400 Franken ist auch für den 23-jährigen Werkstudenten nicht wenig. Aber er mache es gern, wie er Nau.ch verrät.
Doch jetzt gegen Sommerende ist Alex weniger unbeschwert als zuvor. Ihm sei aufgefallen, dass Mia vermehrt Geld ausgebe, das sie gar nicht habe. So hätte sie in den Ferien etwa 400 Franken für Kleider ausgegeben.
«Und gerade letzte Woche hat sie 800 Franken für zwei Konzert-Tickets ausgegeben. Einfach so!» Alex schüttelt den Kopf, schliesslich kenne er ihre Finanzen. «Das kann sie sich doch gar nicht leisten.»
Doch ist sie Alex dafür Rechenschaft schuldig? Nau.ch hat bei Experten nachgefragt.
Thema «Finanzen» landet häufig in der Paartherapie
Für Reto Mischol, Paartherapeut in Chur GR, kommt Alex' und Mias Situation wenig überraschend. Er habe öfter Paare in seiner Praxis, bei denen eine Person stärker für die gemeinsamen Freizeitaktivitäten aufkomme. «Dies ist ein häufiges Thema, das in verschiedenen Formen auftritt und Gespräche über finanzielle Fairness und Beziehungsdynamiken veranlasst.»
Solche Situationen würden verschiedene Altersklassen betreffen, meint Mischol. «Besonders häufig sind es aber jüngere Paare, die sich noch in der Ausbildungs- oder Anfangsphase ihrer beruflichen Laufbahn befinden.»
Piroska Gavallér-Rothe, Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Paartherapeutin, berät in ihrer Thurgauer Praxis hauptsächlich Paare im mittleren Alter mit Familien. Diese hätten meistens eine gemeinsame Familienkasse.
Doch auch bei dieser Klientel sei das Thema Geld immer wieder problematisch, berichtet sie. «Vor allem, wenn Erwerbsarbeit und Familienarbeit nicht als gleichwertiger Beitrag zum gemeinsamen Leben betrachtet werden.»
Zwischen Fürsorge und Autonomie-Verlust
Alex' wachsendes Unbehagen kommt weder für Gavallér-Rothe noch für Mischol unerwartet. «Solche finanziellen Arrangements können verschiedenste Beziehungsdynamiken auslösen», erklärt Mischol.
Im guten Fall würden sie als Ausdruck von Grosszügigkeit und Fürsorge wahrgenommen. Dies wäre dann stärkend für die Bindung.
Im schlechten Fall würden sich Ungleichgewichte entwickeln.
«Dies ist besonders schwierig, wenn bereits anderweitige Asymmetrien bestehen», warnt Gavallér-Rothe. Beispielsweise bei Paaren mit grossem Altersunterschied. Regelmässige Finanzierungen könnten bestehende Ungleichgewichte noch verstärken.
Es könnten sich etwa Dynamiken entwickeln, in welcher sich die empfangende Person stets «in der Schuld» fühle. Oder umgekehrt: Die gebende Partei gehe davon aus, nun ein gewisses Mitspracherecht zu haben. Beispielsweise auch darüber, wie viel man für das Konzert seines Lieblingsstars ausgibt.
Eine Beziehung auf Augenhöhe sehe anders aus. Dies zeige sich spätestens bei Unstimmigkeiten. Plötzlich fielen Sätze wie «Ich gebe dir bereits so viel, du machst sonst schon nichts für mich.» Oder: «Dann drehe ich dir halt den Geldhahn ab!»
So etwas sei schlichtweg emotionale und finanzielle Erpressung, hält Gavallér-Rothe fest. Doch auch für die gebende Person könnten unangenehme Gefühle aufkommen, erklärt Mischol. So fühle man sich auf Dauer eventuell ausgenutzt.
Budgetberater: «Leider reden nur wenige Paare über Geld»
Mit Situationen wie jenen von Alex und Mia beschäftigt sich auch Philipp Frei, Geschäftsführer der Schweizer Budgetberatung. «Finanzen sind ein wichtiges Thema in einer Beziehung. Trotzdem reden leider nur wenige Paare über Geld.»
Generell gelte: «Je grösser der Lohnunterschied, desto wichtiger eine gute Regelung.» Grundsätzlich sei es wichtig, dass Paare eine Lösung finden, die «beide als fair empfinden». Wie diese konkret aussieht, könne und dürfe für jedes Paar unterschiedlich sein.
Bei solchen Absprachen sei auch wichtig anzuerkennen, dass man durch verschiedenste Unterstützungen profitiere, merkt Gavallér-Rothe an. «Geld ist nur eine persönliche Ressource von vielen.»
Vielleicht bringe Mia nicht das grosse Geld, dafür aber ganz viel Lebensfreude, Spontanität oder Unbeschwertheit in Alex' Leben. Dies alles seien gleichwertige Ressourcen. Letztlich ginge es darum: «Womit bereicherst du mein Leben und womit bereichere ich deins?»
«Finanzielle Zuwendungen sind erst einmal neutral»
Ob sich die komplette Kostenübernahme von Paar-Ferien gutheissen lässt, sei situationsabhängig. «Finanzielle Zuwendungen sind erst einmal neutral», sagt Gavallér-Rothe.
Auf die dahinterliegende Motivation komme es an. «Möchte man vielleicht auch noch das eigene Ego pushen oder mehr Kontrolle erlangen?», fragt die Paartherapeutin. «Oder handelt man aus dem Wunsch heraus, schöne Momente und Freude mit dem Menschen, den man liebt, zu teilen?»
Besonders für den Gebenden ist es wichtig zu erkennen, dass er durch seine Zuwendung freiwillig und ohne Erwartungshaltung ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Wenn das klar ist, kann auch Alex das Flugticket für Mia buchen.
*Name von der Redaktion geändert.