Aargauer Praxis: Mit Altersguthaben die Sozialhilfe zurückzahlen
Das Wichtigste in Kürze
- Im Aargau können Sozialhilfe-Bezüger zur Rückerstattung der Gelder verpflichtet werden.
- Der Grosse Rat fordert nun in einem Postulat, diese Praxis zu beenden.
- Der Regierungsrat erklärte sich bereit, die Forderung zu prüfen.
Wer im Kanton Aargau Sozialhilfe bezieht, kann bei der Auflösung eines Freizügigkeitsguthabens zur Rückerstattung der Gelder verpflichtet werden. Das hat das Verwaltungsgericht in einem Beschwerdefall entschieden. Politiker fordern ein Ende dieser umstrittenen Praxis.
Das Guthaben diene zwar grundsätzlich der ergänzenden Deckung des Lebensunterhalts im Alter, teilten die Gerichte Kanton Aargau am Dienstag zu einem Urteil des Verwaltungsgerichts mit. Nach Auflösung der Guthaben bestehe indessen kein besonderer Schutz dieses Kapitals.
Eine Ausnahme von der Rückerstattungspflicht müsse in einem Gesetz oder in einer Verordnung verankert werden. Damit bestätigte das Verwaltungsgericht seine Rechtsprechung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.
Beschwerde gegen Vorgehen der Gemeinde
In konkreten Fall hatte die Beschwerdeführerin während rund neun Jahren Sozialhilfe von mehr als 160'000 Franken bezogen. Aufgrund gesundheitlicher Beschwerden sah sie sich ausserstande, einer Arbeitstätigkeit nachzugehen.
Im Hinblick auf die baldige Pensionierung sah die Gemeinde davon ab, sie zur Stellensuche anzuhalten. Es wurde aber von ihr verlangt, entweder zwei bis drei Stunden pro Tag Freiwilligenarbeit zu leisten oder das Freizügigkeitsguthaben von rund 130'000 Franken zu beziehen.
Gleichzeitig sollte sie keine Sozialhilfe mehr erhalten und rund 65'000 Franken der bezogenen Sozialhilfe zurückzahlen. Mit einer Beschwerde wehrte sie sich gegen das Vorgehen der Gemeinde.
Postulat fordert Änderung der bisherigen Praxis
Im Kanton Aargau hatten mehrere ähnliche Fälle für Diskussionen gesorgt. Die Betroffenen fühlten sich von Gemeinden, welche die Sozialhilfe bezahlen, unter Druck gesetzt oder schlecht beraten. Der Grosse Rat überwies Anfang Mai ein parteiübergreifendes Postulat an den Regierungsrat, das eine Änderung der bisherigen Praxis vieler Gemeinden forderte.
Der Regierungsrat erklärte sich bereit, die Forderung zu prüfen. Konkrete Schritte versprach er nicht. Er wies darauf hin, dass ohne Rückerstattungen den Personen mehr Geld für Lebensunterhalt zur Verfügung stünde und so die Ergänzungsleistungen tiefer ausfielen. Auf diese Weise könnte der Kanton Geld sparen.