Abnehm-Spritze: Engpass! Apotheker lehnt neue Ozempic-Kunden ab
Viele Menschen greifen zu Diabetes-Medikamenten, um abzunehmen. Das führt zu Engpässen. Ein Apotheker reagiert – und nimmt keine neuen Ozempic-Kunden mehr auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Wirkstoff Semaglutid gilt als regelrechtes Wundermittel im Kampf gegen Übergewicht.
- Da Diätpräparate auf dem Markt kaum erhältlich sind, wird auf Diabetes-Mittel ausgewichen.
- Dies sorgt für Engpässe: Ein Apotheker reagiert jetzt mit einem vorläufigen Verkaufsstopp.
Abnehmen stellt viele Menschen vor grosse Herausforderungen: Eine gesündere Lebensweise und ein schlankeres Erscheinungsbild scheinen trotz ernsthaften Bemühungen schier unerreichbar.
Entmutigt begeben sich viele auf die Suche nach Alternativen – und werden fündig: Medikamente wie Wegovy gelten als regelrechte Wundermittel auf dem Weg aus der Fettleibigkeit. Der Wirkstoff heisst Semaglutid und imitiert ein körpereigenes Darmhormon, welches Insulinausschüttung und Hungergefühl reguliert. Man hat also weniger schnell wieder Hunger.
Diabetes-Medikament als Diätpräparat?
Wegovy wurde hierzulande vor rund eineinhalb Jahren durch das Heilmittelinstitut «Swissmedic» zugelassen. Das Präparat ist jedoch erst seit Kurzem auf dem Markt erhältlich. Deshalb waren viele Betroffene bis dato auf die Diabetes-Medikamente Ozempic oder Rybelsus ausgewichen.
Einer davon ist der Zürcher Georg M.* – er hat dank Ozempic-Spritzen in wenigen Monaten 15 Kilo abgenommen: «Es hemmt meinen Appetit und die Lust auf fettiges Essen», sagt er zu Nau.ch. «Früher konnte ich eine ganze Tafel Schokolade essen, heute reicht mir eine Reihe.»
Solche Kunden, die eben nicht an Diabetes leiden, sorgen aber insbesondere bei Diabetikern für Sorgenfalten: Die Verkäufe beider Medikamente sind sprunghaft angestiegen, Zuckerkranke leiden immer wieder unter Engpässen. Wie «Pharmasuisse» auf Anfrage bestätigt, sei dies zweifelsfrei auch auf den Einsatz gegen Übergewicht zurückzuführen.
Engpässe bei Diabetesbehandlungen
Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet beispielsweise die Rathaus-Apotheke in Wettingen AG eine ungefähre Verdoppelung des Absatzes. Dies bestätigt Geschäftsführer Hans Jürg Engel auf Anfrage von Nau.ch: «Das führt tatsächlich zu Therapieunterbrüchen bei Diabetikern.» Auch FMH-Präsidentin Yvonne Gilli beobachtet diesen Trend – die Engpässe stellten Diabetiker vor Probleme.
Engel schätzt, dass ungefähr die Hälfte seiner Kunden Ozempic in erster Linie zur Gewichtsreduktion einsetzten. Bei den Rybelsus-Tabletten seien es indes noch etwas weniger.
Gleichzeitig gibt der Apotheker zu bedenken, dass bei übergewichtigen Menschen oftmals auch die Blutzuckerregulation gestört sei: «Häufig ist nicht eindeutig, welches Behandlungsziel im Vordergrund steht, weshalb wir keine Unterscheidung machen.»
Keine neuen Ozempic-Kunden
Engel zieht nun einen Schlussstrich – er nimmt keine neuen Kunden mehr an. «Aufgrund der anhaltenden Lieferengpässe geben wir Ozempic im Moment nur noch an bestehende Kunden ab. Ziel ist hier ganz klar, Therapieunterbrüche zu vermeiden!»
Ein schlechtes Gewissen, dass er als Nicht-Diabetiker zum Engpass beiträgt, hat Georg M. nicht: «Seit ich schlank bin, geht es mir viel besser. Ich fühle mich fitter und gesünder, darauf möchte ich nicht verzichten.»
Engel hingegen ist überzeugt: «Beide Präparate haben Nebenwirkungen und Risiken. Es ist sicher nicht zu empfehlen, die Medikamente aus rein kosmetischen Gründen anzuwenden!» In solchen Fällen empfehle sich die herkömmliche, schweisstreibende Herangehensweise: Bewegung!
Es bleibt zu hoffen, dass mit der Markteinführung von Wegovy auch der Ansturm auf Ozempic und Rybelsus nachlässt. Bis dahin müssen sich Diabetiker und Diabetikerinnen auf gewissenhafte Apotheker verlassen, die ihrerseits auf Einnahmen verzichten, um Therapieunterbrüche zu vermeiden.