Alpines Museum in Bern zeigt alpines Handwerk
Die Ausstellung «Werkstatt Alpen. Von Macherinnen und Machern» im Alpinen Museum in Bern zeigt facettenreich und exemplarisch das gegenwärtige alpine Handwerk.
Das Wichtigste in Kürze
- «Schauen Sie einen Moment lang auf Ihre Hände - wozu haben Sie diese in letzter Zeit gebraucht? Zum Drücken von Tasten, zum Gleiten über das Display Ihres Smartphones? Oder haben Sie mit ihnen etwas hergestellt?», fragt der Philosoph Eduard Kaeser in einem Audiobeitrag.
Wir befinden uns im Alpinen Museum der Schweiz in Bern in der Ausstellung «Werkstatt Alpen. Von Macherinnen und Machern», die bis 25. Oktober 2020 Handwerkerinnen und Handwerker aus Schweizer Bergregionen und deren Schaffen vorstellt. Eine Ausstellung zum Anfassen und Mitmachen, zum Zuhören und Zuschauen.
Eingangs lernt man die Protagonistinnen und Protagonisten der Ausstellung in «filmischen Intros» kennen: eine Geigenbauerin, einen Käser, eine Schindelmacherin, einen Schreiner, eine Schuhmacherin, einen Skibauer und eine Weberin. Sie stehen im Mittelpunkt der Schau: vertieft in die Arbeit, reflektierend über die Besonderheiten ihres (alpinen) Handwerks - vor allem aber mit einer ansteckenden Leidenschaft für ihr Metier.
«Man denkt immer, die Schweiz sei rohstoffarm. Doch gerade die Berge bieten so viel», betont Ausstellungskuratorin Barbara Keller vom Alpinen Museum bei einem Rundgang. Genau aus diesem Grund werden wichtige Rohmaterialien aus den Bergen wie Wolle, Steine oder Hölzer im «Materiallager» für die Besucherinnen und Besucher fassbar gemacht. Und der Rohstoffreichtum der Alpen ist auch ein Wirtschaftsfaktor: Laut einer Publikation des Bundesamts für Statistik zählen 71 Prozent der Fläche der Schweiz zum Berggebiet und 22 Prozent aller Beschäftigten arbeiten dort.
Doch bis ein Rohstoff zum hochwertigen Produkt wird, braucht es viel Zeit. «Vom Laien zum Profi braucht es rund 10'000 Stunden harter Arbeit, sagt ein ungeschriebenes Gesetz», heisst es in einem Begleittext. Tief in diesen anspruchsvollen Arbeitsalltag lassen daneben die raumhohen «Werkstattfilme» blicken: «Wir haben die sieben Handwerkerinnen und Handwerker zwei Tage lang filmisch begleitet. Am ersten Tag bei der Arbeit und am zweiten Tag führten wir Gespräche», erörtert Keller die Entstehung. Bei der Auswahl der sieben Betriebe habe man auf eine «geografische Breite» geachtet und dass Frauen und Männer gleichermassen vertreten seien.
Zum Beispiel die Schuhmacherin Florbela Da Costa Mendes, die bei Kandahar im Berner Oberland arbeitet. Aus Portugal stammend, wo es noch genügend Fachkräfte für das Schuhhandwerk gibt, trägt sie dazu bei, die Wertschöpfung in der Region zu halten. «Wir sind die letzte Schuhproduktion hierzulande, bei der noch jeder einzelne Arbeitsschritt des Schuhhandwerks in der Schweiz ausgeführt wird», erklärt Kandahar-Geschäftsführer Manuel von Allmen stolz.
Der starke Bezug zum Standort - die Herstellung vor Ort, der Rückgriff auf traditionelles Wissen oder der lokale Rohstoff - scheint gerade für Unternehmen aus Bergregionen zentral zu sein. Zum einen weil man sich der Region verpflichtet fühlt. «Man nimmt, was vorhanden ist», selbst wenn Holz von anderswo sogar gewisse Vorteile mit sich brächte, beschreibt die Schindelmacherin Eva Gredig aus dem Safiental die Auswahl des Materials.
Zum anderen liefert aber auch der Markt die Argumente. «Der regionale Rohstoff ist auch sehr wichtig für die Kunden», hält Gerhard Zürcher von der Bio-Bergkäserei Goms fest. Doch das moderne alpine Handwerk, wie es sich hier zeigt, nutzt auch neue Technologien. Entscheidend sei das Feingefühl zu wissen, wann es was brauche, präzisiert der Schreiner Thomas von Rickenbach aus dem Muotathal in einem Ausstellungsbeitrag.
Jetzt wird es handfest: In der «Schindelwerkstatt» spalten die Besucherinnen und Besucher Holzstücke zu Schindeln und nageln sie danach an ein Gerüst. Nebenan wird gehobelt und mit geübtem Auge geprüft: Noch bis Ende Februar gastieren Mitglieder des «Schweizer Verband der Geigenbauer und Bogenmacher» in der Ausstellung und stellen in der «Gastwerkstatt» vor Ort Geigen her.
Wer selber über das Geigenholz hobelt, spürt, wie viel Fingerspitzengefühl dies braucht. Was zeichnet einen guten Handwerker respektive Geigenbauer aus? «Es braucht funktionierende Sinne, die Lust zu gestalten, Hände fürs Tun - und Reflexionsfähigkeit», antwortet Geigenbauer Mark Wilhelm. Passend dazu lädt Eduard Kaesers Audiotext «Trost der Handarbeit» im Raum nebenan zum Nachdenken über das Handwerk ein. «Der Raum soll Möglichkeit zur Reflexion bieten», beschreibt Keller die besondere Atmosphäre hier. Gedankliche Anregung bietet im oberen Teil der Ausstellung auch der stetig wachsende «Objektberg», der eine Vielzahl weiterer Produkte aus dem Alpenraum umfasst.
Qualität besitzen diese Produkte auf den ersten Blick. Doch was müssen Sie kosten, damit man davon leben kann? Besucherinnen und Besucher versuchen sich in eigenen Schätzungen. «Es ist aber wichtig, nicht nur den Preis zu zeigen, sondern auch wie dieser zustande kommt», betont Keller.
Jedes Stück sei ein Unikat, unterstreicht die Weberin Jessica Correia De Freitas aus dem südbündnerischen Poschiavo in einem Beitrag - und der Waadtländer Skibauer Lucas Bessard spricht davon, die Kunden in die Herstellung einzubeziehen.
Am Ende der Ausstellung hat man den gesamten Werkprozess durchlaufen. Nicht idealisiert, sondern in den Worten Kellers als «ein Stück Alltag von Handwerkerinnen und Handwerkern im Berggebiet». Das dabei entstandene «Produkt»: Ein realistischeres Bild der alpinen Schweiz. Nicht nur als eindrückliche Naturlandschaft, sondern genauso als wichtiger Wirtschaftsraum - als «Werkstatt Alpen».