Anwälte von Sperisen bitten Bundesrat um Verzicht auf Rekurs
Erwin Sperisen wurde 2019 zu 15 Jahre Haft wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Seine Anwälte bitten die Schweiz nun, den Urteilsspruch nicht zu rekurrieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Erwin Sperisen war der Chef der Nationalpolizei Guatemalas.
- Dem Schweizer-Guatemalteke könnte bei Rekurs eine längere Haftstrafe drohen.
- Deswegen baten seine Anwälte nun die Schweiz, nicht zu rekurrieren.
Die Anwälte von Erwin Sperisen haben der Schweiz einen Brief geschickt: Darin beten sie darum, nicht gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu rekurrieren. Laut dem Urteil kam dem ehemaligen Chef der Nationalpolizei von Guatemala kein unparteiisches Verfahren zuteil. Er wurde im Jahr 2018 in Genf vor Gericht gestellt.
Wenn die Schweiz keine Berufung einlege, werde das Urteil des EGMR endgültig. Das sagten Sperisens Anwälte Giorgio Campa und Florian Baier am Mittwoch an einer Medienkonferenz in Genf.
Ein Rekurs würde laut den Anwälten bedeuten, dass das Bundesgericht sein Urteil revidieren könnte. Dieses hatte die Verurteilung von Sperisen zu 15 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord bei einer Polizeiaktion in Guatemala bestätigt.
Präsidentin war befangen
Das am Dienstag veröffentlichte Urteil des EGMR betrifft die Präsidentin der Genfer Berufungskammer. 2017, als sie Haftrichterin war, äusserte sie sich zu einem Antrag auf vorläufige Freilassung von Sperisen. Sie stellte fest, dass ausreichende Verdachtsmomente vorlägen und die Akten weiterhin «für die Schuld sprechen» würden.
In der Berufungsverhandlung 2018 hatten die Anwälte von Sperisen vergeblich die Ablehnung dieser Richterin wegen Befangenheit beantragt. «Wir haben es mit Richtern zu tun, die eine Kultur des Hinterzimmers haben», beklagte Campa. Um Recht zu bekommen, habe er seinen Fall bis nach Strassburg ziehen müssen.
Sperisen soll sofort freigelassen werden
Darüber hinaus forderten die beiden Anwälte die sofortige Freilassung ihres Mandanten, der im Gefängnis von Witzwil BE inhaftiert ist. Zu diesem Zweck schrieben sie an den Genfer Staatsrat, der als Aufsichtsbehörde der Strafvollzugsbehörde allein für diese Frage zuständig ist.
Campa und Baier erinnerten daran, dass Sperisen im August 2012 in Genf festgenommen wurde und seither fast ununterbrochen inhaftiert ist. Eine Ausnahme bildeten die zwei Jahre, in denen er das Gefängnis mit einer elektronische Fussfessel verlassen konnte. Seine Frau und seine Kinder leben heute im Kanton Bern.
Wegen Beihilfe zu Mord verurteilt
Sperisen ist schweizerisch-guatemaltekischer Doppelbürger. Er war zweimal wegen Mordes an Häftlingen in Guatemala zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach einer Beschwerde beim Bundesgericht wurde ihm ein dritter Prozess zugestanden. Am Ende wurde er lediglich auf Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen.
Dabei wurde Sperisen zu 15 Jahren Haft verurteilt. Seine Anwälte betonten, dass er bereits seit seiner Verhaftung bereits viele Jahre in Haft verbracht hat. Deshalb könnte und sollte der 63-Jährige bald auf Bewährung entlassen werden. Im Februar 2024 werde er zwei Drittel seiner Strafe verbüsst haben und sein Verhalten sei tadellos, so Baier.