Bargeld verschwindet wohl von Bahnhöfen – Experte besorgt
Schnell und unkompliziert: Karte und Twint verdrängen Bargeld – gerade am Bahnhof. Verschwindet es bald ganz? Durchaus möglich, sagt ein Experte und übt Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Menschen bezahlen bargeldlos. Bei der Migros sind es 80 Prozent der Kundschaft.
- Deshalb richten immer mehr Läden ihre Infrastruktur auch daraus auf.
- Wirtschaftspsychologe Christian Fichter sieht ohne Bargeld die Privatsphäre in Gefahr.
Wer heute noch mit Bargeld bezahlt, ist klar in der Minderheit. Gerade an den Bahnhöfen, wo die Leute wenig Zeit haben.
So gehen etwa bei der Migros 80 Prozent der Transaktionen bargeldlos über die Bühne. Bei den an Bahnhöfen beliebten Shops wie K-Kiosk, Brezelkönig und Spettacolo sind es ebenfalls über zwei Drittel.
Entsprechend reagieren die Anbieter. Das Bäckerei-Unternehmen Reinhard etwa reduziert die Anzahl Kassen mit Bargeld-Zahlung an seinem Standort am Bahnhof Bern. «Um das Handling zu vereinfachen», sagt Geschäftsleiter Alexander Reinhard zu Nau.ch.
Und um die Kunden daran zu gewöhnen, dass, wer mit Bargeld bezahlt, sich bald an einen Automaten wenden muss. Denn Reinhard führt einen Bargeld-Automaten ein. Das sei hygienischer und einfacher für das Personal.
Wird Bargeld somit derart in die Ecke gedrängt, dass es bald verschwindet? «Leider ja», sagt Christian Fichter, Wirtschafts- und Konsumpsychologe, zu Nau.ch. «Es ist durchaus möglich, dass Bargeld aus dem täglichen Geschäftsverkehr verschwindet, besonders in urbanen und technologisch fortschrittlichen Gegenden.»
Vorteile wie höhere Transaktionsgeschwindigkeit, verbesserte Hygiene und geringere physische Sicherheitsrisiken würden diese Entwicklung wahrscheinlich machen.
Am ehesten wird das Bargeld gemäss Fichter dort verschwinden, wo es schnell gehen muss: «Bahnhöfe oder Fast-Food-Restaurants sind prädestiniert dafür, dass Bargeld durch bargeldlose Zahlungsmethoden ersetzt wird.» Auch Branchen, in denen Hygiene eine zentrale Rolle spielt, könnten schneller auf bargeldlos umsteigen. Etwa im Lebensmittelhandel und in der Gastronomie.
«Bargeld eine der letzten Bastionen der Privatsphäre»
Christian Fichter warnt jedoch, dass dieser Entwicklung auch Bedenken gegenüberstehen. Zum Beispiel in Bezug auf Datenschutz. Er betont: «In einer Ära, in der unsere Daten das neue Gold darstellen, ist Bargeld eine der letzten Bastionen der Privatsphäre.»
Denn: Jede bargeldlose Transaktion hinterlasse eine Datenspur. Diese werde von Banken, Unternehmen und nicht selten von neugierigen Regierungsbehörden gesammelt, analysiert und potenziell missbraucht. «Bargeld hingegen ist Garant der Anonymität, ein Relikt von Freiheit in einem zunehmend überwachten Finanzsystem», betont der Wirtschaftspsychologe.
Eine bargeldlose Gesellschaft grenze zudem auch Menschen aus. Ganz junge ebenso wie ältere Personen, sowie jene in ländlichen oder unterentwickelten Gebieten. Wer kein Bankkonto besitze, für den sei Bargeld die einzige Möglichkeit, am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen.
Experte sieht Sicherheit in Gefahr
Bedenken hat Fichter auch in Bezug auf die Zuverlässigkeit. «Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie fragil unsere Systeme sein können», sagt er. Internet- und Stromausfälle, technische Störungen oder Hackerangriffe – all dies seien Szenarien, in denen Bargeld seine Stärke und Unverzichtbarkeit beweise.
Somit sei die Idee, Bargeld abzuschaffen, auf den ersten Blick fortschrittlich. Jedoch bei genauerer Betrachtung eher «ein Schritt, der uns unserer Privatsphäre und unserer Sicherheit berauben könnte».