Basler Tinguely-Museum bereitet sich auf Eröffnung vor
Das Wichtigste in Kürze
- Auf den ersten Blick wähnt man sich im Basler Museum Tinguely an einem ganz normalen Ruhetag.
Am 11. Mai endet der Lockdown für die Schweizer Museen. Was das bedeutet, zeigt ein Rundgang zum Beispiel durch das Museum Tinguely. Dort wird eine Ausstellung wieder eröffnet, die auf Interaktion und Nähe ausgelegt ist.
Auf den ersten Blick wähnt man sich im Basler Museum Tinguely an einem ganz normalen Ruhetag. Die Ausstellungshallen präsentieren sich nicht so, als hätte das Haus eine fast zweimonatige Zwangsschliessung hinter sich. Eine Frau vom Reinigungdienst putzt den Ticket-Tresen, ein Techniker zieht seine Runden durchs Haus und ein Aufseher wacht über die ausgestellten Kunstwerke.
«Das war bis vor wenigen Tagen noch ganz anders», sagt Museumsdirektor Roland Wetzel und zeigt mit gebührendem Abstand ein Foto auf seinem Smartphone: Die gegenwärtig wieder uneingeschränkt sichtbaren Werke der aktuellen Sonderausstellung «Amuse-bouche. Der Geschmack der Kunst» waren allesamt mit Tüchern abgedeckt oder zum Teil eingelagert. Und die Museumsmitarbeiter zogen sich für die meiste Zeit ins Home-Office zurück.
Nach der Lockdown-Verkündung des Bundesrats am 16. März hat das Haus bei der gediegenen Paul Sacher-Anlage am Rhein, wie alle anderen Museen der Schweiz, sogleich seine Tore geschlossen. Die Ausstellung wurde eingemottet.
Vorübergehend nur, wie vor wenigen Tagen bekannt wurde. «Eigentlich haben wir damit gerechnet, erst im Juni wieder eröffnen zu können», sagt Wetzel. Im Windschatten der Gastrobranche, die erfolgreich für sich lobbyiert hat, wird es jetzt - «überraschend», wie Wetzel sagt - einen knappen Monat früher sein.
Das Museum muss oder darf seinen Betrieb bis nächsten Dienstag - der Montag bleibt Ruhetag - kurzfristig wieder hochfahren. Innerhalb weniger Tage müssen die notwendigen Massnahmen getroffen werden, dass die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden können. Dazu gehört etwa, dass die Kopfhörer an den Videostationen in der Ausstellung abmontiert und durch Lautsprecher ersetzt werden.
Und weiter heisst das: Die Besucherinnen und Besucher dürfen nur tröpfchenweise eingelassen werden, der Besucherstrom in den Ausstellungshallen muss entsprechend kanalisiert werden. Zehn Quadratmeter Platz pro Museumsgänger muss gewährleistet werden können. «Wir haben diese Vorgabe grosszügig ausgelegt und den Platz auf fünfzehn Quadratmeter vergrössert», sagt Wetzel.
Damit dürfen sich theoretisch rund 220 Besucherinnen und Besucher pro Stunde im Museum aufhalten. In der Sonderausstellung wurde die Obergrenze auf 60 beschränkt. Für einen Museumsbesuch ist eine elektronische Reservation eines Zeitfensters empfohlen. Aber auch nicht angemeldete Besucher sind, auf die Gefahr hin, dass sie Wartezeiten hinnehmen müssen, willkommen.
«Wir rechnen aber nicht gleich mit dem grossen Ansturm», sagt Wetzel. Die Leute seien vorsichtig geworden, sie seien es auch vor der Verkündung des Lockdowns gewesen. Bereits in den Tagen vor dem 16. März seien die Besucherzahlen der im Februar erfolgreich angelaufenen Ausstellung im Bewusstsein der Bedrohung um rund 50 Prozent zurückgegangen.
Eigentlich wäre die Sonderausstellung wenige Tage nach Wiedereröffnung des Museums zu Ende gewesen. «Wir hatten das Glück, dass wir mit allen Leihgebern eine Verlängerung der Ausstellung bis 26. Juli aushandeln konnten», sagt Wetzel. Das sei für eine Ausstellung mit Werken von mehreren Dutzend Künstlerinnen und Künstlern keine Selbstverständlichkeit.
Die Ausstellung «Amuse-bouche. Der Geschmack der Kunst» wird aber nach der Wiedereröffnung nicht dieselbe sein wie zuvor. Die Schau, die sich künstlerisch mit dem menschlichen Geschmackssinn auseinandersetzt, ist in vielerlei Hinsicht auf Interaktivität und soziale Nähe ausgelegt. Mehrere Werke luden im wörtlichen Sinn zum Reinbeissen ein, ein reichhaltiges Führungs- und Rahmenprogramm war verbunden mit Degustationen und weiteren sinnlichen Begegnungen mit der Kunst.
Interaktive Werke wie «Goosebump» der australischen Künstlerin Elisabeth Willing, eine riesige Wand voller Pfeffernüsse, die sich durch das Anknabbern der Besucher zum interaktiven Kunstwerk entwickeln, werden nun in einen statischen Vorendzustand versetzt. Auch andere geschmackliche Erlebnismöglichkeiten bleiben den künftigen Besucherinnen und Besuchern verwehrt.
Oder doch nicht. Annja Müller-Alsbach, Kuratorin der Ausstellung, hat ein spezielles Degustationsset zusammengestellt, das allen Besucherinnen und Besuchern in die Hand gedrückt werden wird. So können diese an ausgewählten Stationen der Ausstellungen die Geschmackserlebnisse von Salzig bis Umami, süss oder geheimnisvoll individuell erleben.
Roland Wetzel glaubt, dass sich die Erfahrungen aus der Krisenzeit nachhaltig auf die Kunst und Kunstvermittlung auswirken werden. «Wir konnten in der Lockdown-Zeit neue Formen der Kunstvermittlung ausprobieren, die unsere weitere Arbeit beeinflussen werden», sagt er.
Und er verweist auf eine Einzelausstellung mit dem japanischen Künstler Taro Izumi, die für den Herbst angesetzt ist. «Dieser Künstler hat aktuell neue Werke kreiert, die Fragen der Repräsentation im Digitalen aufnehmen, das wird bestimmt spannend.»