Belog die SVP beim Unterschriftensammeln Passanten?
Ein Berner soll eine Passantin mit falschen Informationen zu einer Unterschrift gedrängt haben. Es ging um das SVP Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub.
Das Wichtigste in Kürze
- Bis zum 23. Januar sammelt ein Komitee Unterschriften gegen den Vaterschaftsurlaub.
- In Bern hat ein Unterschriftensammler sich Unterstützung zu erschleichen versucht.
- Thomas Fuchs, Präsident SVP Bern, geht von einem Einzelfall aus.
«Verzweiflung ist ein schlechter Ratgeber», sagt ein Sprichwort. Es scheint, als hätte die SVP sich nun dennoch davon leiten lassen. Noch eine knappe Woche bleibt dem Komitee «Gegen immer mehr staatliche Abgaben», um auf 50'000 Unterschriften zu kommen.
Mit einem Referendum will das Komitee den vom Parlament beschlossenen Vaterschaftsurlaub vor das Volk bringen. In der Hoffnung, dass dieses die zwei Wochen Papi-Zeit abschmettert. Nun sieht es aber arg danach aus, als könnten nicht einmal genügend Schweizerinnen und Schweizer gefunden werden, die das Referendum unterschreiben.
Der SVP läuft die Zeit davon
Um in den verbleibenden Tagen auf genügend Unterschriften zu kommen, griff mindestens ein Unterschriftensammler in Bern zu einer dreiste Täuschung. «Ich war mit Kinderwagen in Bern unterwegs, als ein Mann mich ansprach und fragte, ob sie den Vaterschaftsurlaub gut finde», erzählt eine Nau-Leserin.
Als junge Mutter sehe sie erst Recht die Dringlichkeit einer solchen Papi-Zeit. «Welchen Vaterschaftsurlaub meinen Sie?», konterte sie darum. «Aktuell gibt es ja keinen. Männer bekommen doch nur einen Tag frei, soviel ich weiss.»
Dem Unterschriftensammler wird spätestens jetzt klar, dass die Frau für einen Vaterschaftsurlaub von mindestens zwei Wochen ist. «Dann sollten Sie hier unterschreiben», sagt er und streckt ihr den Bogen hin. Sie will schon zur Unterschrift ansetzen, als ihr das SVP-Logo auffällt. «Aber die sind doch gegen den Vaterschaftsurlaub», fragt sie zögernd.
Referendum für oder gegen Vaterschaftsurlaub?
Der Unterschriftensammler winkt ab. «Ja, klar, aber das ist ja das Referendum gegen die. Wenn sie unterschreiben, sind sie für den Vaterschaftsurlaub.»
Die Nau-Leserin liest sich den Referendumstext durch und erkennt, dass der Mann ihr eine Unterschrift abzuluchsen versucht hat. Sie lehnt ab und geht.
«Wäre ich im Stress gewesen, hätte ich vielleicht einfach unterschrieben. Dann hätte meine Unterschrift einem Referendum geholfen, das ich gar nicht will. Ich finde es wahnsinnig dreist, was die Person gemacht hat. Sind die wirklich so verzweifelt?»
SVP Bern hat nichts damit zu tun
Auf den Unterschriftensammler angesprochen, schüttelt Thomas Fuchs, Präsident der SVP Stadt Bern, den Kopf. «Das war keiner von uns.» Erstens hätten die Berner auf der Strasse gar nicht zum Unterschriftensammeln mobilisiert, «wir haben vor allem via E-Mail-Versand zum Unterschreiben aufgefordert», so Fuchs.
Zudem würde er mit dem Anliegen, ein Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub zu Stande zu bekommen, nicht in der Stadt sammeln. «Die Demografie in der Stadt ist für dieses Anliegen falsch. Wenn ich jemanden zum Unterschriftensammeln geschickt hätte, dann aufs Land. Da hat man mit diesem Thema viel mehr Chancen.»
«Könnte Kündigung zur Folge haben»
Fuchs ist überzeugt, dass es sich bei dem Unterschriftensammler in der Stadt um einen Freiwilligen handelt. Die Unterschriftenbögen kann man selber ausdrucken oder bei der SVP anfordern. «Was auch immer wieder passiert», so Fuchs.
Sollte sich allerdings herausstellen, dass es sich bei der betroffenen Person um ein Parteimitglied handelt, «könnte das die Kündigung zur Folge haben», so Fuchs.
Es sei legitim, die Leute darauf hinzuweisen, dass sie mit einer Unterschrift für das Referendum nicht direkt den Vaterschaftsurlaub ablehnen, sondern dem Volk einzig die Chance geben, darüber abzustimmen. Jemanden aber bewusst zu belügen, um an eine Unterschrift zu kommen, dass findet auch Fuchs einfach nur «dreist».
Das Fazit von Fuchs und Nau-Leserin: «Man sollte sich beim Unterschreiben auf jeden Fall genug Zeit nehmen, um sicher zu gehen, dass man verstanden hat, wofür man sich da gerade einsetzt.»