Bern: Deshalb sollen ÖV-Schwarzfahrer nicht mehr in Knast
Menschen ohne ÖV-Ticket sollen im Kanton Bern nicht mehr ins Gefängnis, wenn sie die Strafe nicht zahlen können. Dies fordert unter anderem ein GFL-Stadtrat.
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen Schwarzfahrens sitzen jährlich über Hundert Personen im Kanton Bern im Gefängnis.
- GFL-Stadtrat Michael Burkard fordert, diese Ersatzfreiheitsstrafen zu überdenken.
- Dadurch sollen die Gefängnisse entlastet und Kosten gespart werden.
Im Kanton Bern wandern jährlich über Hundert Personen ins Gefängnis, weil sie ohne gültiges ÖV-Ticket unterwegs waren. Diese Besuche sind meist nur von kurzer Dauer, es handelt sich um sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen. Menschen, die die fällige Busse nicht bezahlen müssen, sitzen ihre Strafe stattdessen ab.
Nun fordert Stadtrat Michael Burkard (GFL), dass Bernmobil bei mittellosen Personen von einer Anzeige absieht. Laut der «Berner Zeitung» sagt er: «Ein städtisches Transportunternehmen in einer fortschrittlichen Stadt soll darauf verzichten, Arme ins Gefängnis zu treiben.»
Mit dieser Massnahme könnte auch der Platznot in Berner Gefängnissen entgegengewirkt werden.
Kurzstrafen nehmen zu
In der Schweiz ist eine nicht bezahlte Busse/Geldstrafe laut «BZ» mittlerweile der Grund für über die Hälfte aller Gefängniseintritte. Im Kanton Bern werden laut dem Amt für Justizvollzug jährlich rund 4400 Ersatzfreiheitsstrafen vollzogen.
Die Kosten für den Vollzug dieser Kurzstrafen übersteigen oft die zugrunde liegenden Bussen. Ein Tag im Berner «Kurzstrafenvollzug» kostet 160 Franken, ohne Verwaltungskosten.
Burkard argumentiert, dass die Gesellschaft armutsbetroffene Personen unterstützen sollte. «Dort, wo es nichts zu holen gibt, sollte das Inkasso nicht über einen Verlustschein hinaus vorangetrieben werden», erklärt er.
Experten fordern Reform
Der Strafvollzugsexperte Benjamin F. Brägger unterstützt Burkards Vorschlag. Er betont, dass es für Personen ohne gültiges Ticket eine Sanktion braucht, jedoch keine teuren Gefängnisstrafen.
Er nennt diese «archaisch». «Die Politik tendiert dazu, soziale Probleme mit dem Strafrecht zu lösen», sagt er.
Bernmobil äussert sich
Bernmobil kontrollierte laut «Berner Zeitung» 2023 rund 532'000 Personen. Davon waren 13'400 ohne gültiges Ticket unterwegs. Von diesen wurden 287 dem Inkassobüro übergeben.
Bernmobil-Sprecher Didier Buchmann erklärt, dass bei Personen, die vom Sozialdienst unterstützt werden, von einer Anzeige abgesehen wird. «Wir sind aber angehalten, bei einer Kontrolle alle gleichzubehandeln», sagt er.