Berner Hausbesetzer laden ihre Familien zum Muttertag ein
Ein Kollektiv besetzt eine ehemalige Schreinerei in Bern. Diese Woche hätten sie das Gebäude räumen sollen. Stattdessen durften sie die Eltern einladen.
Das Wichtigste in Kürze
- In einem Berner Quartier wird seit Anfang Jahr ein Gebäude illegal besetzt.
- Am 6. Mai hätten die Besetzer die ehemalige Schreinerei eigentlich räumen sollen.
- Die Besetzer haben nun eine Basis für weitere Verhandlungen mit dem Besitzer geschaffen.
«Für mehr Platz zum Träumen – für mehr Freiraum!» Seit Anfang Jahr besetzt das «Tripity Kollektiv» eine alte Schreinerei in Bern. Mit dem illegal besetzten Gebäude im Holligen-Fischermätteli-Quartier soll ein Zeichen für Freiraum gesetzt werden.
Das Kollektiv belebt das leerstehende Gebäude mit Flohmärkten, Yoga- und Boxkursen, einem Näh- und Kunstatelier und vielem weiterem. Dies zeigt das Kollektiv auf seinem Instagram-Account.
Unter anderem mit einer Petition will das Kollektiv erreichen, dass die alte Schreinerei zwischen genutzt werden darf. Über 2000 Personen haben die Online-Petition unterschrieben.
Basis für weitere Verhandlungen geschaffen
Eigentlich hatte die Hausverwaltung eine Räumung bis zum vergangenen Donnerstag angekündigt. Doch gemäss Kapo Bern ist noch kein Räumungsantrag der Eigentümer bei der Polizei eingegangen.
Denn: In der Zwischenzeit wurde eine Basis für weitere Verhandlungen geschaffen, wie das Kollektiv gegenüber Nau.ch erklärt. Mit dem Eigentümer habe man Gespräche in «guter Atmosphäre» geführt. Nun will sich «Tripity» mit der Zwischennutzungsstelle der Stadt zusammensetzen, um sich das Projekt anzuschauen und eine legale Basis dafür zu schaffen.
Durch die abgewandte Räumung konnte sich das Kollektiv auch gleich etwas Spezielles zum Muttertag einfallen lassen: Die «Tripity»-Mitglieder haben nämlich ihre Familien auf das Gelände zu einem Brunch eingeladen.
Hinter der Aktion stehe der Gedanke, auf dem Gelände endlich Menschen verschiedenen Alters zu versammeln. Dies sei aufgrund der vorherigen gesetzlichen Umstände zu einem früheren Zeitpunkt zu riskant gewesen.
Unterstützung von Trägerverein für Jugendarbeit
Auch der Trägerverein für die offene Jugendarbeit der Stadt Bern (Toj) versucht das Anliegen des Kollektivs zu unterstützen. Gemäss den Hausbesetzern habe man mit dem Verein das Gespräch gesucht und nach Unterstützung gefragt. Der Trägerverein ist über einen Leistungsvertrag mit der Stadt Bern verbunden.
Toj nehme bei den Verhandlungen für eine legale Zwischennutzung eine «Vermittlerrolle» ein und habe zum Anliegen des Kollektivs eine offene positive Stellungnahme verfasst. «Diese Unterstützung ist uns extrem wichtig», hält das Kollektiv fest. Denn viele hätten ein falsches Bild von Hausbesetzern wie ihnen.
«Breit gefächertes Kulturzentrum»
«Tripity» erklärt, dass es aus der ehemaligen Schreinerei ein Kulturzentrum machen möchte. «Ziel wäre ein sehr breit gefächertes Kulturzentrum, wo man niederschwellig einander verschiedene Fähigkeiten beibringen kann. Es geht um eine Skill-Sharing-Möglichkeit, für die man nicht gross Geld ausgeben muss.»
Unter anderem soll ein richtiger Quartiermarkt entstehen. Zudem plant das Kollektiv etwa einen «Rückzugsort» für Menschen aus der LGBTQ-Community. Der Kulturbetrieb soll ehrenamtlich geführt werden.
Eine grosse Herausforderung dabei sei die Sanierung der ehemaligen Schreinerei. Zur Finanzierung würde man wohl ein Spendenkonto eröffnen, um diese per Crowdfunding zu finanzieren. Dies soll ein Teil eines kreativen Finanzierungsplans.
Gemeinderätin hofft auf gemeinsame Lösung
Laut Toj-Präsidentin und SP-Stadträtin Katharina Altas mangle es in dem Quartier an Angeboten für Jugendliche, wie sie dem «Bund» erklärt: «Wir sind schon seit Jahren erfolglos auf der Suche nach geeigneten Räumen»
Die zuständige Gemeinderätin Franziska Teuscher (GB) würde sich demnach ebenfalls über das Zustandekommen einer Zwischennutzung freuen: «Der Gemeinderat und meine Direktion anerkennen die Bemühungen des Tripity-Kollektivs und hoffen, dass die Parteien zu einer gemeinsamen Lösung finden.»