Bewohner von Brienz GR: «Diese Ungewissheit ist ekelhaft»
Das Dorf Brienz GR muss bis am Sonntag komplett evakuiert werden. Ein riesiger Bergrutsch bedroht das Dorf erneut. Anwohner erzählen, wie sie damit umgehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Bündner Bergdorf Brienz GR muss erneut evakuiert werden.
- Wegen erhöhter Erdrutschgefahr müssen die Bewohner bis am Sonntag das Dorf verlassen.
- Bewohner erzählen, wie sie mit der Situation umgehen.
Oberhalb des Bündner Bergdorfs Brienz GR bahnt sich eine riesige Schuttlawine an, die das Dorf erneut bedroht. Bereits im Sommer 2023 musste das Dorf aus dem gleichen Grund evakuiert werden. Damals konnten die Bewohner und Bewohnerinnen nach einigen Wochen zurückkehren.
Das Dorf hatte grosses Glück im Unglück: Der Berg rutschte zwar ab, traf aber nicht die Häuser.
Bis am Sonntag um 13 Uhr muss das Dorf nun wieder vollständig geräumt sein. Auch das Militär ist vor Ort und hilft bei der Räumung.
Nau.ch hat mit Bewohnern gesprochen, die ihr Hab und Gut zusammenpacken müssen. Wie erleben sie diese erneute Notsituation?
Ein 82-jähriger Bewohner, der anonym bleiben möchte, erzählt: «Mir geht es schlecht. Ich kann mich kaum daran gewöhnen, dass ich in weniger als zwei Jahren schon wieder alles zusammenpacken muss.» Die Situation sei nicht lustig, aber man könne halt nichts anderes machen.
«Wir warten darauf, dass der Berg kommt»
«Ich hoffe, dass so viel herunterkommt, dass wir dann wieder längere Zeit Ruhe haben», erzählt der Brienzer. Aber im Moment wisse man halt noch nicht, wie lange «das ganze Theater» dauern würde.
Ob es nun einen Monat oder fünf Monate gehe, bis sie zurückkehren können, ist unklar. «Diese Ungewissheit, das ist ekelhaft», so der 82-Jährige.
Auch ein Ferienwohnungsbesitzer, der extra aus Deutschland angereist ist, hofft, dass möglichst viel vom Berg herunterkommt.
«Wir fahren jetzt nach Hause und warten darauf, dass der Berg kommt. Insgeheim hoffen wir sogar, dass er kommt. Damit man dann Tabula rasa gemacht hat. Dann weiss man, woran man ist.»
Er hofft, wieder ins Dorf kommen zu können: «Wenn unser Haus nicht betroffen ist, kommen wir wieder.» Er hänge am Dorf, an den Menschen und an seiner Wohnung.
«In den 40 Jahren, die wir hier waren, haben sich Freundschaften aufgebaut. Die würde man dann schon missen.»
Den Berg einfach wegsprengen kann man nicht. Wie ein Experte kürzlich erklärte, geht es vor allem um die Haftungsfrage. Wer würde für allfällige Schäden im Dorf aufkommen?
Oder wie Geologe Stefan Schneider sagte: «Wenn man dies von Menschenhand von oben runtersprengt und das Dorf dann kaputt ist – dann ist eigentlich der, der die Sprengung ausgelöst hat, verantwortlich.»
Jetzt packen die Bewohner von Brienz GR ihre Sachen: «Meinen Computer und all das Zeug habe ich mitgenommen und Kleider natürlich, Büromaterial. Für den Hund habe ich auch alles mitgenommen. Mehr nicht», erzählt der 82-jährige Brienzer.
Auf die Frage, ob er seine Zukunft in Brienz GR sieht, meint er: «Das weiss ich noch nicht, ich muss es mir noch überlegen.» Er fragt sich, ob es sich in seinem Alter noch lohne, eine neue Wohnung zu suchen. «Ich weiss auch nicht weiter.»