Bund findet über 3600 ungültige Unterschriften
Nach Bekanntwerden des Unterschriften-Skandals verschärfte der Bund seine Kontrollen. Nun kommt aus: 3626 Unterschriften sind gefälscht. 3308 davon aus Genf.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bundeskanzlei ist bei Kontrollen auf über 3600 gefälschte Unterschriften gestossen.
- Betroffen ist die sogenannte «Versorgungsinitiative».
- Mehr als 3000 gefälschte Unterschriften stammen aus dem Kanton Genf.
Der Skandal um gefälschte Unterschriften bei Volksinitiativen hat die Schweizer Bundeskanzlei dazu veranlasst, ihre Kontrollen zu verschärfen.
Dabei stiess sie auf erhebliche Unregelmässigkeiten bei der sogenannten «Versorgungsinitiative».
Insgesamt wurden 3626 ungültige Unterschriften entdeckt – alle von Gemeinden und Kantonen als korrekt bestätigt.
Über 3000 Unterschriften aus dem Kanton Genf
Besonders auffällig ist dabei die Tatsache, dass 3308 dieser ungültigen Unterschriften aus dem Kanton Genf stammen.
Das ist mehr, als bei den zehn vorherigen Initiativen zusammengenommen. Denn: Bis Anhin waren nur insgesamt 35 Genfer Unterschriften aufgefallen, die fälschlicherweise durchgewunken worden waren.
Diese Häufung von falschen Unterschriften lässt den Verdacht einer professionellen Massenfälschung aufkommen.
Betroffen ist dabei die Initiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit», die als «Versorgungsinitiative» bekannt ist.
Das Komitee besteht unter anderem aus Ärztinnen und Ärzten, Apothekern und Patientenschützerinnen sowie Vertretern von Pharmaunternehmen.
Es setzt sich dafür ein, dass der Bund die heimische Forschung, Entwicklung sowie Herstellung wichtiger Heilmittel fördert. So soll der Zugang zu Medikamenten sichergestellt werden.
Ungültigkeitsquote massiv höher als der Zehnjahres-Durchschnitt
Die Initiative wurde mit 108'709 gültigen Unterschriften eingereicht, wobei 100'000 erforderlich sind.
Die Bundeskanzlei gab kurz vor Weihnachten bekannt, dass die Ungültigkeitsquote über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre liegt.
Mit über 3,2 Prozent ist sie deutlich höher als üblich. Denn: Der Zehnjahres-Durchschnitt an ungültigen Unterschriften liegt zwischen 0,2 und 2 Prozent.
Andreas Faller vom Komitee der Versorgungsinitiative äussert sich gegenüber dem «Tagesanzeiger» zu den Auffälligkeiten: «Forensische Analysen hatten gezeigt, dass dort Angaben offensichtlich von gleicher Hand stammten.»
Die Auffälligkeiten würden zum berechtigten Verdacht führen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zu- und hergegangen sei, so Faller. Dem werde man nun nachgehen.
Zwei Firmen an der Unterschriftensammlung beteiligt
Gesammelt wurden die Unterschriften für die Initiative in Praxen, Apotheken und Drogerien. Jedoch sind auch von zwei Firmen an der Unterschriftensammlung beteiligt gewesen.
Darunter auch die Deutschschweizer Firma Sammelplatz Schweiz. Sie geniesst eigentlich einen besseren Ruf, als ihre Westschweizer Konkurrenz.
Aber jetzt scheint laut dem «Tagesanzeiger» ein guter Teil der für ungültig erklärten Angaben von ebendieser Firma zu stammen.
4-Augen-Prinzip
Wieso schaute der Bund bei der Kontrolle der «Versorgungsinitiative» überhaupt so genau hin?
Die Antwort ist einfach: Schon die Genfer Behörden hatten bei ihrer Prüfung einen «überdurchschnittlich hohen Anteil» an ungültigen Unterschriften festgestellt.
Dieser Umstand wurde der Bundeskanzlei gemeldet. Aufgrund dessen hat man auch Bern genauer hingeschaut. Dies, weil neu für sämtliche Unterschriftenkontrollen das «4-Augen-Prinzip» gilt.
Ob diese schärferen Massnahmen jetzt dazu führen, dass ein Fälscherring in Genf auffliegt, bleibt abzuwarten.
Auf die Frage zu einer Strafanzeige in diesem bestimmten Fall nimmt die Bundeskanzlei nur allgemein Stellung. Dem «Tagesanzeiger» teilt sie mit, sie erstatte Anzeige, wenn sie Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten habe.
Es scheint, als sei dies in Bezug auf die «Versorgungsinitiative» der Fall.
Wird über eigentlich ungültige Initiativen abgestimmt?
Trotz der Kontroversen betont Andreas Faller die Wichtigkeit ihrer Initiative: «Unsere Initiative wurde mehr als deutlich für gültig erklärt.»
Dies, obschon «signifikant genauer kontrolliert wurde», so der Initiant. Das Anliegen der «Versorgungsinitiative» sei «demokratisch stark legitimiert».
Doch die Frage bleibt: Hat das Schweizer Volk über Vorlagen abgestimmt oder wird es bald über Vorlagen abstimmen, die nicht rechtmässig zustande gekommen sind?
Insbesondere, weil Abstimmungen über Initiativen anstehen, die nur knapp mehr als die erforderlichen 100'000 gültigen Unterschriften eingereicht haben. Bei vielen von ihnen stammen auffällig viele Unterschriften aus der Westschweiz.