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Coronavirus: Astrazeneca-Impfstoff-Zoff lässt Swissmedic kalt

Antun Boskovic
Antun Boskovic, DPA

Bern,

Mit Lieferverzögerungen beim Impfstoff gegen das Coronavirus sorgt Astrazeneca für Ärger bei der EU. Die Verzögerungen könnten auch die Schweiz treffen.

Coronavirus Astrazenecea Impfstoff
Medizinisches Personal im englischen Sunderland befüllt eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff von Oxford/Astrazeneca im NHS Nightingale Hospital North East. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Astrazeneca hat Gerüchte zu einer tiefen Impfschutzwirkung bei ü65-Personen dementiert.
  • Swissmedic kann sich derzeit wegen des laufenden Zulassungsverfahrens nicht dazu äussern.
  • Die von Astrazeneca angekündigten Lieferverzögerungen sorgen bei der EU zudem für Ärger.

Kurz vor der bevorstehenden Zulassung in der EU sorgt der Corona-Impfstoff von Astrazeneca für Wirbel. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA könnte dem Vakzin gegen das Coronavirus bereits diesen Freitag grünes Licht geben.

Doch erst letzten Freitag kündigte Astrazeneca an, der EU zunächst weniger Corona-Impfdosen liefern zu können als vorgesehen. Grund seien Probleme in «einem Werk in unserer europäischen Lieferkette».

Im ersten Quartal knapp 50 Millionen Impfdosen weniger

Die EU hatte schon im August bis zu 400 Millionen Dosen von Astrazeneca bestellt. Sie hatte nach eigenen Angaben noch 336 Millionen Euro für den Ausbau der Fertigung und eine Produktion auf Halde gezahlt. Doch nun sollen im ersten Quartal 31 Millionen statt 80 Millionen Impfdosen gegen das Coronavirus kommen. Die EU-Staaten reagierten dementsprechend wütend.

Coronavirus - Astrazeneca
Ampullen mit dem Corona-Impfstoff des Herstellers AstraZeneca stehen in kleine Kartons verpackt in einem Kühlschrank im Ashton Gate Stadium in Bristol, das als eines von sieben Massenimpfzentren am 11. Januar in Betrieb genommen wurde. - dpa

Beobachter vermerken spitzfindig, dass Grossbritannien offenbar von dem britisch-schwedischen Konzern weiter beliefert werde. Ein neues EU-Exportregister soll deshalb Lieferströme offenlegen. Der nächste Schritt wäre wohl eine Exportbremse.

Ob nun Drohungen die Firma zum Einlenken bringen und irgendwoher 50 Millionen Impfdosen aufzutreiben sind, dürfte sich am Mittwochabend zeigen. Dann sollen Konzernmanager erneut zur Krisensitzung bei der EU antreten.

Wirbel um Schutzwirkung vor Coronavirus bei über 65-Jährigen

Für Verunsicherung sorgen zudem deutsche Medienberichte zur Schutzwirkung des Astrazeneca-Impfstoffes. «Handelsblatt» und «Bild» hatten berichtet, die deutsche Regierung rechne bei über 65-Jährigen mit einer Schutzwirkung von nur 8 Prozent. Deswegen werde das Vakzin in der EU wohl nur für unter 65-Jährige zugelassen.

Coronavirus Astrazeneca
Andrew Pollard, Direktor der Oxford Vaccine Group und Professor für pädiatrische Infektion und Immunität an der Universität Oxford, hält im Churchill Hospital den Daumen nach oben, als er eine Corona-Impfung erhält. - dpa

Das deutsche Gesundheitsministerium erklärte aber, auf den ersten Blick schienen da Dinge verwechselt worden zu sein: Rund 8 Prozent der Probanden der Astrazeneca-Wirksamkeitsstudie seien zwischen 56 und 69 Jahre alt gewesen. Nur 3 bis 4 Prozent über 70 Jahre. Daraus lasse sich aber nicht eine Wirksamkeit von nur acht Prozent bei Älteren ableiten.

Die im Fachblatt «Lancet» erschienene Studie zum Astrazeneca-Impfstoff kommt zum Schluss, dass die Vakzin-Wirksamkeit rund 70 Prozent beträgt. Allerdings heisst es in der Studie auch: Ältere Menschen seien bei den Tests erst spät einbezogen worden. Die Datenlage zum Impfschutz bei Senioren sei deshalb begrenzt, es solle aber weitere Daten geben.

Bedenken zum Astrazeneca-Impfstoff in Australien

Astrazeneca wies am Dienstag auf frühere Ergebnisse hin, wonach der Impfstoff auch bei älteren Menschen eine starke Immunantwort auslöst. Daraus kann aber nicht automatisch ein Impfschutz gegen das Coronavirus abgeleitet werden.

Coronavirus Astrazeneca
Boris Johnson (M), Premierminister von Grossbritannien, trägt einen Behälter mit dem Corona-Impfstoff von Oxford/Astrazeneca auf das Gelände des Barnet FC in The Hive, das als Corona-Impfzentrum genutzt wird. In Grossbritannien erhielt der Astrazeneca-Impfstoff vor rund einem Monat die Notfallzulassung. - dpa

Am Dienstag schloss die EMA nicht aus, dass der Astrazeneca-Impfstoff in Europa nur für eine bestimmte Altersgruppe zugelassen wird. «Ich werde der Entscheidung nicht vorgreifen», sagte EMA-Chefin Emer Cooke in einer Anhörung im Europaparlament. Eine begrenzte Zulassung sei aber grundsätzlich möglich. Dies werde genau geprüft.

Erst vor kurzem äusserten Forscher in Australien im «Sydney Morning Herald» Bedenken zur Einführung des Astrazeneca-Impfstoffs. Grund dafür ist der tiefere Wirkungsgrad des Vakzins als bei den Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna. Demnach könne man sich nicht darauf verlassen, dass der Astrazeneca-Impfstoff zu einer sogenannten Herdenimmunität führe.

Swissmedic: «Können uns inhaltlich nicht dazu äussern»

Auch in der Schweiz könnte das Asztrazeneca-Vakzin gegen das Coronavirus in den kommenden Wochen zugelassen werden. Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic warte noch auf «wichtige Daten», wie Mediensprecher Lukas Jaggi am Freitag gegenüber SDA-Keystone erklärte.

Zu den Gerüchten aus den deutschen Medien zu einer tiefen Wirkung bei über 65-Jährigen kann Swissmedic nichts sagen: «Mit Hinweis auf das laufende Zulassungsverfahren können wir uns inhaltlich dazu nicht äussern.» Das sagte Jaggi am Dienstag auf Anfrage von Nau.ch.

Coronavirus swissmedic
Swissmedic ist die Schweizer Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte. - Keystone

Sollte der Impstoff von Astrazeneca in der Schweiz zugelassen werden, könnte es ebenfalls zu Lieferverzögerungen kommen. Denn: Der mit Astrazeneca im Oktober geschlossene Vertrag basiert auf der Vereinbarung der EU-Kommission mit dem Unternehmen. Heisst: Die Schweiz erhält ihren Impfdosen-Anteil vom EU-Kontingent. Lieferverzögerungen scheinen demnach auch für die Schweiz möglich.

Insgesamt hat die Schweiz bei Astrazeneca bis zu 5,3 Millionen Impfdosen gegen das Coronavirus bestellt.

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