Coronavirus: BAG treibt Positivitätsrate künstlich in die Höhe
Neu übernimmt der Bund die Kosten für Massentests auf das Coronavirus. Allerdings fliessen nur positive Resultate in die Statistik. Die Folgen sind dramatisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit Massentests sollen asymptomatische Corona-Fälle aufgespürt werden.
- Die negativen Resultate sind oft nicht meldepflichtig. Das verfälscht die Statistik.
- Das BAG gibt zu: Die derzeitige Positivitätsrate ist eine Überschätzung.
Testen, testen, testen: Ende Januar gab der Bundesrat bekannt, dass der Bund für präventive Massentests die Kosten übernimmt. So sollen lokale Infektionsausbrüche des Coronavirus frühzeitig erkannt und bekämpft werden.
Ins Auge gefasst hat der Bundesrat dabei Massentests in Alters- oder Pflegeheimen, an Schulen, in Hotels oder Firmen. Dafür greift der Staat tief in die Taschen – von rund einer Milliarde Franken ist die Rede.
Heute, drei Wochen später, zeigt sich: Die nationalen Testzahlen auf das Coronavirus sind seither nicht gestiegen.
Gleichzeitig ist die Positivitätsrate in den letzten Wochen zwar leicht gesunken, aber eben noch zu wenig, klagt der Bund. Gesundheitsminister Alain Berset verlangt eine Positivitätsrate von unter fünf Prozent, um Beizen zu öffnen und Veranstaltungen zu ermöglichen.
Wie Recherchen von Nau.ch zeigen, ist die aktuelle Berechnung aber eine Farce. Die vom BAG publizierte Positivitätsrate ist verfälscht. Denn die negativen Resultate aus den Massentests fliessen gar nicht in die Statistik.
Überschätzte Positivitätsrate bei Tests auf Coronavirus
Wie ein BAG-Sprecher auf Anfrage festhält, gilt die Meldepflicht nur «für medizinische Einrichtungen». Bedeutet: Alle negativen Testresultate aus den präventiven Massentests in Altersheimen, an Schulen oder in Hotels werden nicht erfasst.
Lediglich positive Resultate auf das Coronavirus fliessen in die BAG-Statistik ein. Ausgenommen, es handelt sich um vorbeugendes Testen oder im Rahmen eines Infektionsausbruches. Hier erhält das BAG auch die negativen Resultate.
Beim vorbeugenden, repetitiven Testen müssen also Altersheime oder Schulen negative Resultate nicht melden. Der Grund: Der Prozess werde damit «möglichst kosteneffizient» gestaltet.
Fragt sich: Wie aussagekräftig ist damit die täglich kommunizierte Positivitätsrate? Würden all negativen Tests aus den präventiven Massentests miteinbezogen, würde die Positivititätsrate nämlich sinken.
Auf Nachfrage bestätigt das BAG: «Infolgedessen ist die derzeit messbare Positivitätsrate eine Überschätzung der tatsächlichen Positivitätsrate.»
«Das gezielte Nachtesten von positiven Antigentests kann in der Tat den Anteil der positiven Tests erhöhen», ergänzt das BAG. Dies, da die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Test durch die PCR positiv bestätigt wird, hoch ist. «Erst der PCR-Nachtest fliesst in die Statistik ein. Doppelerfassungen gibt es», ergänzt das BAG.
Falsche Positivitätsrate und R-Wert als Killer-Kriterium für Gastronomie
Wie hoch die tatsächliche Positivitätsrate ist, lässt sich kaum berechnen. Einerseits, da die präventiven Massentests nicht ganzheitlich erfasst werden. Andererseits, da auch nur wenige Kantone damit begonnen haben.
Um solche durchzuführen, muss ein Kanton nämlich ein Konzept beim Bund einreichen. Gemäss Sprecher habe das BAG bisher von lediglich neun Kantonen ein solches erhalten.
«Die Kantone testen insbesondere in Schulen, gezielt auch in Betrieben. Zudem in Alters- und Pflegeheime im Rahmen der Testung besonders gefährdeter Personen.»
Die zu hoch ausgewiesene Positivitätsrate ist für ganze Branchen höchst problematisch. Denn: Nur wenn der Wert unter fünf Prozent liegt, dürfen etwa Bars und Restaurants im April wieder öffnen.
Als weiterer Indikator dient der sogenannte R-Wert. Dieser sorgte in den letzten Wochen ebenfalls für riesigen Ärger. Grund: Gleich mehrmals wies das BAG den von der ETH geschätzten Wert massiv zu hoch aus.