Coronavirus: Das ist über die neue Mutation bekannt

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Bern,

In Grossbritannien ist eine neue Version des Coronavirus aufgetreten. Premier Boris Johnson warnt vor der möglichen grösseren Ansteckungsgefahr. Was wissen wir?

Virus Outbreak Britain Coronavirus
Am Samstag sprach Boris Johnson vor Medien über die Gefahr, die von der Mutation des Coronavirus ausgeht. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Mutation des Coronavirus soll bis 70 Prozent ansteckender sein, als bisherige.
  • Am 20. September wurde die Variante in Kent entdeckt.
  • Mutationen am Spike-Protein machen das Virus besonders gefährlich.

VUI-202012/01 – so kryptisch klingt der Name der neusten Corona-Mutation, welche derzeit Europa in Panik versetzt. Der Grund: Die neue Virus-Variante soll bis zu 70 Prozent ansteckender sein, als die bisherigen.

Dies sagte zumindest der britische Premierminister Boris Johnson am Samstag vor Medien. Und strich kurzerhand für Millionen von Menschen das Weihnachtsfest.

Zu 70 Prozent ansteckender – eine Zahl, die Carl Heneghan stutzen lässt. «Ich mache diesen Job seit 25 Jahren. Ich kann sagen, dass man in so kurzer Zeit keine quantifizierbaren Zahlen gelangt.»

Dies sagte der Professor evidenzbasierter Medizin an der Universität Oxford gegenüber «Dailymail». Für jeden Experten sei es zu früh, eine solche Schlussfolgerung zu ziehen.

Virus Outbreak Britain
Der letzte Zug von London nach Paris ist begehrt, nachdem Boris Johnson den Lockdown in Teilen des Landes angekündigt hat und europäische Länder die Grenzen zu Grossbritannien dicht machen. - Keystone

Diese Angst und Panikmache habe hingegen massive Auswirkungen, ist Heneghan überzeugt. Er verlangt darum klare Beweise für die höhere Ansteckung.

Neue Variante des Coronavirus ist durchsetzungsfähig

Alles also nur eine grosse Johnson-Hysterie? Wohl kaum. Denn es scheint tatsächlich so, dass sich die neue Virus-Variante durchsetzen wird.

Am 20. September wurde die Variante des Coronavirus in Kent entdeckt. Bis Mitte November waren rund 28 Prozent der Fälle in London auf die Mutation zurückzuführen. In der zweiten Dezemberwoche bereits rund 62 Prozent.

Ob sie tatsächlich so viel ansteckender ist, das ist noch nicht klar. Denn eine Mutation zu entdecken sei einfach, so Andreas Bergthaler vom CeMM-Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien gegenüber der «Süddeutschen Zeitung». «Aber die Folgen zu analysieren, das dauert Monate.»

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Ein Symbolbild des Coronavirus. - Keystone

Dass ein Virus mutiert, ist nichts Neues. Bereits mehr als 12'000 Mutationen des neuartigen Coronavirus sind mittlerweile bekannt. Eine derzeit durchsetzungsfähige Variante betrifft einen Virus mit der Mutation namens D614G. Diese Mutation am Spike-Protein existiert offenbar auch in der neuen Virus-Variation.

Warum ist die Variante dennoch besorgniserregend?

Drei Dinge machen das Virus gefährlich, schreibt James Gallagher, Gesundheits- und Wissenschaftskorrespondent der BBC.

Erstens verdränge es schnell andere Versionen des Virus. Zweitens weist es Mutationen an den Teilen des Virus auf, die wahrscheinlich entscheidend für die Gefährlichkeit des Virus sind. Und drittens haben einige dieser Mutationen bereits im Labor gezeigt, dass sie die Fähigkeit des Virus, Zellen zu infizieren, erhöhen.

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Eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Sars-CoV-2-Viren. - dpa

Gallagher relativiert aber auch: «Neue Stämme können sich einfach dadurch verbreiten, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.» Es sei zudem schwierig auseinanderzuhalten, was auf das Verhalten der Menschen und was auf das Virus zurückzuführen ist.

Wo ist die Mutation bereits aufgetreten?

Auch der Ursprung des Virus ist nicht klar. Es wird vermutet, dass die Variante in Grossbritannien mutiert ist. Oder aber von einem Land importiert wurde, das weniger auf Mutationen beim Coronavirus testet.

Das Virus ist in ganz Grossbritannien, ausser Nordirland, nachgewiesen worden. Insbesondere in London, dem Südosten und Osten Englands. Bei mindestens einer Person in Italien ist die Mutation ebenfalls aufgetreten. Auch in Dänemark, Australien und den Niederlanden seien Fälle gemeldet worden.

In der Schweiz ist die neue Mutation bisher nicht nachgewiesen worden. Jedoch liegt die letzte Genomanalyse bereits einen Monat zurück und umfasst gemäss der Basler Epidemiologin Emma Hodcroft nur eine kleine Auswahl an Corona-Patienten.

Die wissenschaftliche Task Force des Bundes gab am Sonntag bekannt, dass zu erwarten sei, «dass die Variante schon in kleiner Zahl hier ist».

Was hat sich verändert?

In einer ersten Analyse wurden 17 potenziell wichtige Veränderungen festgestellt. Betroffen ist etwa das Spike-Protein – der Schlüssel, mit dem ein Virus die Tür in eine Körperzelle aufschliesst. Jede Veränderung am Virus, welche es ihm erleichtert in die Zelle einzudringen, dürfte der Variante einen Vorteil verschaffen.

Studien eine Gruppe der Universität Cambridge deuten darauf hin, dass Antikörper das Virus weniger effektiv bekämpfen.

Das Coronavirus ist zudem ungewöhnlich stark mutiert. Es wird angenommen, dass die Variante bei einem Patienten mit geschwächtem Immunsystem aufgetaucht ist und darum dessen Körper als Nährboden für Mutationen diente.

Ist die Variation tödlicher?

Bisher gibt es keine Anzeichen, dass das Virus durch die Mutation an sich tödlicher wurde. Doch allein die Zunahme der Übertragungen kann ausreichen, um die Spitäler vor Probleme zu stellen. Wenn sich Menschen schneller infizieren, werden auch mehr Menschen im Krankenhaus behandeln müssen.

Coronavirus
Ärzte in einem Spital kümmern sich um einen Corona-Patienten. (Symbolbild) - AFP

Werden die Impfstoffe gegen die neue Variante helfen?

Davon ist derzeit auszugehen. Impfstoffe trainieren das Immunsystem darauf, mehrere verschiedenen Teile des Virus anzugreifen, so Gallagher. Doch weitere Mutationen könnten die bisherigen Impfungen wirkungslos machen.

Das ergäbe eine ähnliche Situation wie bei der Grippe. Hier müssen Impfstoffe regelmässig an die Mutationen angepasst werden, um wirksam zu bleiben. Glücklicherweise seien aber die aktuellen Impfstoffe gegen das Coronavirus einfach zu optimieren, schreibt Gallagher.

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