Coronavirus: Epidemiologen wollen lockern – Politiker bremsen
Die Normalisierungsphase verzögert sich. Experten wollen die Massnahmen gegen das Coronavirus jedoch gelockert haben – Politiker hingegen bremsen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat will die Normalisierungsphase noch nicht einläuten.
- Epidemiologen verstehen diesen Schritt wegen der Impfung nicht.
- Vor allem linke Politiker wollen die gute Situation nicht verspielen.
Eigentlich hätte der Bundesrat letzte Woche den Kantonen einen Vorschlag zur Lockerung der Massnahmen gegen das Coronavirus unterbreiten sollen. Doch darauf verzichtete er. Zu unsicher sei die Lage mit den ansteigenden Fallzahlen. Die Normalisierungsphase verzögert sich, Maskenpflicht und weitere Einschränkungen bleiben.
Das gefällt nicht allen. Vor allem Bürgerliche können den Entscheid überhaupt nicht nachvollziehen. Auch die SVP-Nationalrätin Monika Rüegger (OW) möchte schnell lockern. Es gebe im Moment zwar viele Ansteckungen, aber nur wenige Hospitalisierungen wegen des Coronavirus, sagt sie im «SonnTalk» auf «TeleZüri».
«Wir müssen aufhören mit den Einschränkungen», fordert Rüegger, «sie sind nicht mehr gerechtfertigt.» Man werde immer mit einem Virus leben müssen.
Anderer Meinung ist Daniel Jositsch: «Die Position der SVP ist verantwortungslos», findet der Zürcher SP-Ständerat. Das aktuelle Regime sei gut, die Restriktionen erträglich, die Wirtschaft funktioniere wieder. Dies dürfe man nicht aufs Spiel setzen.
«Ich bin es leid, dass jeder das Gefühl hat, dass er Experte sei und sich dazu äussern könne», so Jositsch. Die wahren Coronavirus-Experten steigen aber nicht mit dem Rechtsanwalt auf die Bremse: Für Epidemiologe Marcel Salathé sind «allzu einschränkende Massnahmen wegen der Impfung nicht mehr verhältnismässig». Kollege Manuel Battegay stimmt ihm auf Twitter zu.
Nichtstun würde die Schweiz nicht vorwärts bringen, sagte Salathé den «Tamedia»- Zeitungen. «Wir können nicht ewig in diesem Zustand verharren.»
«Jeder muss selber Verantwortung übernehmen»
Auch Marcel Tanner fordert in der «SonntagsZeitung», dass der Bundesrat im August die Normalisierungsphase einläutet.
Dies müsse heissen, dass sich der Staat zurückziehe, die Wirtschaft solle selber entscheiden, welche Massnahmen sie für richtig hält. «Jeder muss die Verantwortung selber übernehmen», so das ehemalige Mitglied der Taskforce.
Eine Aussage, die Daniel Jositsch gar nicht unterstützen kann. Es brauche in einer solchen Situation eine klare Linie, fordert er. «Es ist definitiv falsch, wenn jeder machen kann, was er will.»