Coronavirus: Grenz-Öffnung für Italiener epidemiologisch richtig?
Die Furcht vor dem Coronavirus flacht ab, Grenzen werden wieder geöffnet, auch nach Italien. Ein Tessiner Epidemiologe ordnet ein.

Das Wichtigste in Kürze
- Am 15. Juni will die Schweiz die Grenzen zu den Nachbarländern öffnen.
- Auch die Grenzen zu Italien sollen dann geöffnet werden.
- Epidemiologisch spiele dies keine grosse Rolle, erklärt ein Experte.
Am 15. Juni soll die Schweiz die Grenzen zu Nachbarländern öffnen, Österreich hat dies bereits getan. Doch nicht alle europäischen Länder können ab Mitte Juni wieder einreisen. Die Grenzen zu Italien bleiben in Österreich vorerst geschlossen.
Die italienischen Behörden sind ausser sich. Dies sei beleidigend, diskriminierend und auch wirtschaftsschädigend, kritisierte Premier Giuseppe Conte. Denn Italien öffnete bereits alle Grenzen.

Die Schweiz öffnet ihre Grenzen jedoch zu allen EU-Staaten und Grossbritannien am 15. Juni. Aufgrund der epidemiologischen Lage sei der Schritt auch gegenüber Italien gerechtfertigt, argumentierte heute Freitag der Bundesrat.
Doch ist es für eine Grenzöffnung für Italiener doch noch zu früh, wie es etwa Österreichs Tourismusministerin gesagt hatte?
Der Tessiner Epidemiologe und Klinikdirektor Andreas Cerny von der Clinica Luganese Moncucco erklärt die epidemiologische Sicht der Dinge.
Italien hat noch immer deutlich mehr Neuinfizierte mit Coronavirus
«Aus epidemiologischer Sicht sind alle Lockerungen, welche die Mobilität der Personen vermehrt, potentiell problematisch», meint Cerny. Dies, wenn in einem Land die Kontrolle der ersten Welle weniger weit sei oder eine zweite Welle begonnen habe.

In Italien habe es am 3. Juni ganze 321 neue Erkrankungen durch das Coronavirus gegeben, in Österreich 35 und in der Schweiz 19, listet Cerny auf. Dabei beruft er sich auf die Zahlen von «Worldometer». «Damit scheint die erste Welle in Italien noch nicht so gut unter Kontrolle zu sein wie bei uns.»
Aber: «Wenn man es nach der Gesamtbevölkerung korrigiert, sieht es doch recht ähnlich wie bei uns aus.» Italien hat rund 60 Millionen Einwohner, dies relativiere die höhere Zahl an Neuansteckungen wieder.
Neue Ausbrüche müssen so schnell wie möglich gestoppt werden
Einige Regionen Italiens, wie die Lombardei oder das Piemont, seien sehr stark vom Coronavirus betroffen. Hier sei die Situation sicherlich weniger stabil als in der Schweiz. Doch Inseln wie Sizilien und Sardinien seien weniger betroffen gewesen. «Ob man deshalb die Grenzen zu Italien geschlossen halten muss, ist letztlich auch ein politischer Entscheid.»

«Jede Lockerungsmassnahme, welche die Mobilität der Bevölkerung erhöht, birgt die Risiken der Einschleppung des Virus», mahnt der Epidemiologe. Wichtig sei vor allem, dass neue Ausbrüche «durch energische Testung erkannt und durch das ‹Contact Tracing› effizient eingedämmt werden».