Coronavirus: Können sich Clubs vor zweitem Lockdown retten?
Bars und Clubs sind ein Hochrisiko für Ansteckungen mit dem Coronavirus. Der Vorfall im Flamingo-Club bestätigt dies. Doch schaffen App oder ID-Pflicht Abhilfe?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Club-Betreiber geraten nach einem Superspreader-Event unter Druck.
- Der Bund stufte schon im Vorfeld Partys als Hochrisiko ein.
- Experten sehen in der Tracing-App keine Lösung für Clubs. Hilft eine ID-Pflicht?
Der Coronavirus-Ausbruch im Flamingo-Club in Zürich wird mehr und mehr zum Super-Gau für die Branche. Mehrere Infizierte, knapp 300 Personen in Quarantäne und falsche Kontaktdaten.
Nachdem es offenbar auch in der Tesla-Bar in Spreitenbach AG infizierte Besucher ausgemacht wurden, zittern die Club-Betreiber nun. Ein erneuter Shutdown der Clubs wegen des Coronavirus wäre katastrophal für die Branche.
Und genau dies könnte passieren, kriegen die Clubs das Problem nicht in den Griff. Sollten sie die Schutzkonzepte nicht durchsetzen können, sei es an den Kantonen, die «Clubs zu schliessen». Das sagte Gesundheitsminister Alain Berset gestern Montagabend.
Coronavirus: Hochrisiko bei Club-Besuchen
Ohnehin gelten Clubs aufgrund des Coronavirus als Hochrisikoquelle bei Ansteckungen. Dies geht aus einer Risikoeinschätzung des Bundes hervor. Die Aufgabe lasse es kaum zu, dass Schutzmassnahmen getroffen werden können, heisst es darin.
Distanzregeln seien nicht anwendbar, Schutzausrüstung auch nicht. Ein ähnlich hohes Risiko bestehe laut Beurteilung lediglich beim Sexgewerbe.
Für Medienschaffende relevant:
— 🏴 Hernâni Marques 🐈⬛ (@vecirex) June 27, 2020
Ich habe eine Tabelle mit einer Risikobeurteilung einzelner Lockerungsmassnahmen per Öffentlichkeitsgesuch erhalten.
Beachtlich: bei Restaurants & Bars wird festgehalten, dass Schutzmassnahmem kaum ergreifbar seien.
PDF: https://t.co/dSyKyO20An pic.twitter.com/MJMheJK8jo
Der Bundesrat hat also das Risiko aufgrund der Lockerung bewusst in Kauf genommen. Man sei der Meinung gewesen, dass die Öffnung der Clubs mit Schutzkonzepten versucht werden müsse, heisst es seitens Bersets. Dies stösst auf Kritik – so etwa bei Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli, welche sich heute mit den Clubbetreibern trifft.
Leider hat es der Bundesrat unterlassen, diese Analyse den Kantonen zukommen zu lassen. @BAG_OFSP_UFSP @PStrupler Bitte nachliefern. https://t.co/WORrXooLnz
— Natalie Rickli (@NatalieRickli) June 30, 2020
Berset traf sich gestern Montagabend mit den kantonalen Gesundheitsdirektoren in Bern. Der Bundesrat zeigte sich überrascht, dass es so schnell zu Ansteckungsfällen gekommen ist.
Clubs unter Druck
Klar ist: Die Clubs stehen wegen des Coronavirus unter Druck. Eine Lösung muss her, denn ein erneuter Shutdown oder Einführung einer Sperrstunde wäre für viele Clubs das Ende.
Zur Debatte steht wegen des Coronavirus etwa eine Ausweis-Pflicht. Marcel Tanner, Epidemiologe und Mitglied der schweizerischen Corona-Taskforce dazu, nannte diese bei Nau.ch äusserst sinnvoll.
Anders Vertreter der Bar & Club Kommission Zürich. Sie wolle vorschlagen, dass Party-Gäste vor dem Eintritt die Corona-Tracing-App des Bundes herunterladen müssen. Dies geht aus Recherchen von «10vor10» hervor.
Experten sind sich jedoch einig, dass dies höchst illegal wäre. Aufgrund der App dürfe nicht diskriminiert werden, erklärt etwa Epidemiologe Marcel Salathé. Auch Martin Steiger von der Digitalen Gesellschaft Schweiz weist darauf hin. Dies wäre «rechtswidrig und strafbar gemäss dem Epidemiengesetz».
Ohnehin sei die App nicht dafür gebaut, Kontaktadressen von Gästen zu erfassen. «Die Verwendung der SwissCovid App kann eine Registrierung von Gästen nicht ersetzen», so Steiger gegenüber Nau.ch
Andere Apps seien hingegen möglich. «Clubs dürfen von ihren Besuchern verlangen, dass sie sich mithilfe einer App registrieren.» Doch vordergründig gehe es nicht um eine App. Es gehe einerseits um die obligatorische Registrierung und andererseits darum, wie diese Registrierung erfolge.
Registrierung verhindert keine Ansteckungen
Eine App sei nur eine von verschiedenen Möglichkeiten. «Die Registrierung könnte auch mit Papierformularen oder mit einem Formular im Web erfolgen.»
Doch Steiger sieht ein grundsätzliches Problem. Wie der Bund selbst festgestellt habe, gebe es an solchen Orten «keine wirksamen Schutzmassnahmen» gegen COVID-19. «Wenn man sich entscheidet, Bars und Clubs geöffnet zu halten, wird es immer wieder zu Ansteckungen kommen.»
Die Registrierung von Gästen könne Ansteckungen erst einmal nicht verhindern. Aber die Registrierung biete die Chance, mittels Contact Tracing eine Eskalation zu verhindern, so der Jurist.
Doch damit diese Chance genutzt werden könne, müsse insbesondere auch Testing einfach und schnell möglich sein. «In den meisten Kantonen in der Schweiz gibt es immer noch keine Möglichkeit, sich einfach und schnell testen zu lassen. Sondern, man muss einen Arzt- oder Spital-Termin vereinbaren.»