Coronavirus: Macht 2G bei Omikron-Impfdurchbrüchen noch Sinn?
Wegen der hochansteckenden Omikron-Variante des Coronavirus gibt es immer mehr Impfdurchbrüche. Ist die 2G-Regel so ethisch überhaupt noch vertretbar?
Das Wichtigste in Kürze
- Ein beträchtlicher Teil der Neuansteckungen ist wegen Omikron auf Geimpfte zurückzuführen.
- Trotzdem dürfen sie in Bars, Restaurants & Co., während Ungeimpfte ausgeschlossen werden.
- Ist das überhaupt noch vertretbar? Eine Ethikerin gibt ihre Einschätzung.
Seit Wochen bewegen sich die Corona-Fallzahlen in der Schweiz auf Rekordniveau. Wegen der noch ansteckenderen Omikron-Variante infizieren sich auch viele Geimpfte mit dem Coronavirus.
Obwohl deren Krankheitsverläufe in den allermeisten Fällen deutlich milder ausfallen als bei Ungeimpften, tragen sie zur Ausbreitung des Virus bei. Trotzdem sind geimpfte Personen mit den aktuellen Massnahmen in diversen Bereichen des öffentlichen Lebens im Vorteil.
Erst kürzlich hat der Bundesrat beschlossen, die meisten Regeln bis Ende März zu verlängern. Somit werden Ungeimpfte, die noch keine Corona-Erkrankung durchgemacht haben, weiterhin faktisch vom Gesellschaftsleben ausgeschlossen.
Coronavirus: Viele Ansteckungen bei Geimpften
Wieder auf 3G zu gehen, sei laut Gesundheitsminister Alain Berset noch zu früh. Dies begründet der SP-Bundesrat unter anderem mit den zu geringen Testkapazitäten. Die Lage sei mit so vielen Ansteckungen noch ziemlich instabil.
Mittlerweile tragen die Geimpften aber mit einem beträchtlichen Anteil zu diesen Ansteckungen bei. So sind beispielsweise im Kanton Bern aktuell rund 44 Prozent der gemeldeten Fälle auf Personen mit vollständigem Impfschutz zurückzuführen.
Die Ausgangslage hat sich seit der Einführung des Covid-Zertifikats also komplett geändert. Damals galten die Geimpften bei der Delta-Variante als deutlich weniger ansteckend als Ungeimpfte.
Ist die 2G-Regel angesichts der neuen Situation ethisch überhaupt noch vertretbar? Selbst für die Ethik-Expertin Ruth Baumann-Hölzle ist diese Frage nicht eindeutig zu beantworten. Schliesslich würden bei der Fragestellung gleich mehrere Faktoren zusammenkommen.
«Verhältnismässigkeit ist zu diskutieren»
Grundsätzlich stelle sich stets die ethische Kernfrage, was der Sinn und Zweck zu welchem Zeitpunkt der jeweiligen Massnahmen ist. «Der Staat hat die Pflicht, Menschen möglichst wirksam und verhältnismässig vor Fremdgefährdung zu schützen», erklärt die Ethikerin.
Zudem hätten aber auch alle Menschen Anspruch auf Gleichbehandlung. Und hier kommt die Frage nach der Verhältnismässigkeit des Zertifikats ins Spiel. Sogar die Ethiker sagt: «Die Frage, ob 2G gegenüber Massnahmen, bei welchen alle testen müssen, verhältnismässiger ist, ist zu diskutieren.»
Die Tatsache, dass Geimpfte und Genesene in ähnlichem Masse wie Ungeimpfte ansteckend sind, widerspreche nämlich der aktuellen Ungleichbehandlung. «Diese Ungleichbehandlung liesse sich insofern rechtfertigen, als dass bei Ungeimpften das Risiko einer schweren Erkrankung grösser ist.»
Aber: Solange dies nicht zu einer Überlastung des Gesundheitswesens führe, sei eine solche Risikoabwägung jedem selber zu überlassen, so die Ethikerin. Die einzige Bedingung dafür: «Jeder muss die Möglichkeit gehabt haben, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.»
Allerdings sind Intensivstationen der Spitäler immer noch zu einem hohen Anteil mit Covid-Patienten gefüllt. Sofern sich die Lage in den nächsten Wochen verbessert, könnte die 2G-Regel aber bald fallen: Zumindest machte Alain Berset kürzlich in einem Interview Hoffnung darauf.