Coronavirus: Malaria-Medi bleibt für Covid-19-Behandlung umstritten
Vor zwei Wochen sorgte eine Hydroxychloroquin-Studie für Aufsehen, die die Wirksamkeit in der Coronavirus-Behandlung anzweifelte. Jetzt wurde sie zurückgezogen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die bisher grösste Studie zu Hydroxychloroquin wurde von den Verfassern zurückgezogen.
- Damit hat die WHO das Medikament wieder für medizinische Studien zugelassen.
- Grosse Schweizer Spitäler beteiligen sich dennoch nicht – es fehlen Covid-19-Patienten.
Es war eine der aufsehenerregendsten Studien zum Coronavirus bisher: Am 22. Mai veröffentlichten Wissenschaftler, darunter auch ein Professor der Uni Zürich, eine Studie zum möglichen Corona-Medikament Hydroxychloroquin.
Die im Fachmagazin «the Lancet» veröffentlichte Studie kam zum Schluss, dass Hydroxychloroquin bei Covid-19-Patienten kaum positive Effekte hat. Im Gegenteil: Die Forscher warnten, dass die Nebenwirkungen die positiven Effekte übertreffen. Dies veranlasste die WHO dazu, ihre grossangelegten Studien einzustellen.
Coronavirus: Forscher ziehen Studie nach Kritik selbst zurück
«Es tut mir wirklich leid», schreibt Mandeep Mehra vom «Center for Advanced Heart Disease» in Brimingham. Mehra, Co-Autor der Studie, nahm in einem Statement von gestern Donnerstag Stellung. Er war von Sapan Desai in die Co-Autorenschaft eingeladen worden. Gleiches gilt für Frank Ruschitzka, Professor für Kardiologie an der Uni Zürich.
Federführend bei der Studie blieb Desai: Die Datenbank, in der 96'000 hospitalisierte Covid-19-Patienten umfasst, wurde von Desais Unternehmen «Surgisphere» zur Verfügung gestellt. Als die Studie von immer mehr Seiten kritisiert wurde, forderten die Co-Autoren einen «Peer Review», um die Ergebnisse zu verifizieren.
Dies wurde jedoch von Desais Unternehmen Surgisphere abgelehnt: Das Unternehmen dürfe die Daten nicht an dritte weitergeben. Mehra und Ruschitzka haben folgerichtig gebeten, die Studie zurückzuziehen: «Da wir nicht in der Lage sind, die Primärdaten zu verifizieren, habe ich kein Vertrauen mehr in die Datenquelle.»
Auch das Unispital Zürich nimmt Stellung: Ruschitzka sei erst in der Auswertungsphase hinzugezogen worden. An der anscheinend fehlerhaften Evaluation der Datenerhebung war Ruschitzka nicht beteiligt.
WHO nimmt Studien wieder auf
Nach dem Erscheinen der Studie hatte die WHO den Studienarm mit Hydroxychloroquin im Rahmen der weltweit durchgeführten «Solidarity»-Studie unterbrochen: Im Rahmen von «Solidarity» koordiniert die WHO derzeit eine grossangelegte Covid-19-Studie mit verschiedenen Medikamenten. Wie die WHO am Mittwoch mitteilte, wird der Studienarm mit Hydroxychloroquin nun wieder aufgenommen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass das Medikament unbedenklich ist: In der jetzt zurückgezogenen Studie wurde vor einem erhöhten Risiko für Herzrhythmusstörungen gewarnt. Diese Nebenwirkung des eigentlichen Malaria-Medikaments war bereits vor dem Einsatz gegen das Coronavirus bekannt. Eine Studie mit Corona-Patienten in Brasilien war aufgrund dessen bereits früher abgebrochen worden.
Zwei jüngst veröffentlichte Studien aus Grossbritannien bestätigen die kritische Haltung vieler Mediziner gegenüber Hydroxychloroquin. Mit dem Coronavirus infizierte Patienten zeigten nach einer Hydroxychloroquin-Behandlung keinen besseren Verlauf.
Auch wenn die Resultate der grössten Studie zu Hydroxychloroquin nun zurückgezogen wurden: Die Bedenken bleiben bestehen. Bei der jetzt zurückgezogenen Studie handelte es sich um eine beobachtende Studie. Ehe man eine abschliessende Schlussfolgerung zur Wirksamkeit ziehen kann, müssen die Resultate der klinischen Studien vorliegen. Mit den Resultaten wird jedoch erst in einigen Monaten gerechnet.
Hydroxychloroquin: Keine Studien mehr in Zürich und Bern
Auf Anfrage erklärte das Unispital Zürich, dass keine Covid-19-Studien mit Hydroxychloroquin durchgeführt werden. Da die klinischen Studien nur mit hospitalisierten Personen durchgeführt werden, gibt es hierzulande mittlerweile nur noch wenige potentielle Studienteilnehmer: Gemäss Zahlen des BAG wurden in den vergangenen Wochen nur noch sieben Personen aufgrund des Coronavirus ins Spital gebracht.
Damit fallen neue Studien auch im Berner Inselspital ins Wasser: «Das Inselspital beteiligt sich an der Covid-19-Studie ‹Solidarity› der WHO», bestätigt Hansjakob Furrer, Chefarzt der Infektiologie am Inselspital. «In die Studie werden im Inselspital jedoch hauptsächlich Patienten hinzugezogen, bei denen sich die Krankheit noch im Anfangsstadium befindet.» Derzeit gebe es im Inselspital jedoch keine Patienten mehr, bei denen dies der Fall wäre, so Furrer.