Coronavirus: Schweiz tastet sich an Impfstoff-Herstellung heran
Die Schweizer Pharma war lange zurückhaltend bei der Mitwirkung an den Impfstoffen gegen das Coronavirus. Jetzt werden aber immer mehr Firmen langsam aktiv.
Das Wichtigste in Kürze
- Lange war es ruhig um Schweizer Pharmaunternehmen bezüglich der Impfstoff-Herstellung.
- Jetzt beteiligen sich aber doch immer mehr Firmen am Herstellungsprozess.
- Gleichzeitig sind die vielversprechendsten Schweizer Impfstoffe alle gescheitert.
Es war der Aufreger der letzten Woche: Die Kantone müssen ihre Impfkampagnen wegen zu wenig Impfstoff pausieren. Gleichzeitig soll der Bund eine eigene Impfstoff-Produktionslinie bei der Lonza abgelehnt haben.
Zuoberst auf den Barrikaden wütete die FDP. Sie sprach von einem «Donnerschlag», dem «Impf-Gate» und forderte gemeinsam mit anderen Bürgerlichen eine PUK. Am besten gleich mit den Köpfen der BAG-Direktorin Anne Lévy und Mitarbeiterin Nora Kronig.
Impfstoff ist Privatsache
Alain Berset dementierte den «Tamedia»-Bericht am Freitag im Kern, besänftigte die Kritiker damit aber nur teilweise. Dabei wäre eine staatliche Impfstoff-Produktion in Europa ein absolutes Novum. Auch Staaten wie Italien oder Frankreich, die sich intensiv an der Industrie beteiligen, überlassen die Herstellung der Vakzine den Privaten.
Um eben diese Privaten war es bezüglich Impfstoff-Herstellung lange ruhig in der Schweiz. Das, obwohl die Schweiz eigentlich als Big-Pharma-Hochburg gilt. Doch jetzt werden immer mehr Firmen langsam im Kampf gegen das Coronavirus aktiv.
Lonza produziert Moderna-Impfstoff
Am meisten Aufmerksamkeit bekam bisher die Produktion des Moderna-Impfstoffes durch die Lonza in Visp VS. Der Basler Pharmazulieferer ist eigentlich eher im Hintergrund aktiv: Er übernimmt klassischerweise Produktionsaufträge Dritter für die Agrochemie, Holzschutzmittel oder die Biotechindustrie.
Für Moderna hat Lonza vier seiner Produktionsanlagen bereitgestellt. Drei davon sind im Wallis, eine im amerikanischen Portsmouth.
Theoretisch soll jede dieser Anlagen jährlich 100 Millionen Dosen Impfstoff gegen das Coronavirus produzieren können. Konzernchef Pierre-Alain Ruffieux betonte aber stets, dass die neue mRNA-Technologie auch für einen Veteranen wie Lonza eine Herausforderung darstellt. Man lerne jeden Tag dazu.
Coronavirus: Novartis füllt alle ab
Ebenfalls seine Nische in der Pandemie gefunden zu haben scheint ein anderes, grosses Basler Unternehmen. Die Novartis, welche die Impfstoff-Entwicklung beim Coronavirus selber als zu wenig lukrativ erachtet, bietet Produktionsstandorte für verschiedene Zwecke an. Ein erster, grosser Erfolg war die Zusammenarbeit mit Pfizer/Biontech. Novartis füllt in seinem Werk in Stein AG das Vakzin in Fläschchen ab.
Noch einen Schritt weiter ging der Pharmariese dann vor zwei Wochen. Für das deutsche Unternehmen Curevac hat die Novartis ein Produktionsstandort in Österreich eingerichtet. Dessen Impfstoff befindet sich noch in der Endphase der Entwicklung. Rund 200 Millionen Impfdosen sollen so ab 2022 jährlich hergestellt werden.
Tessiner produzieren Sputnik V
Beim russischen Impfstoff Sputnik V sind viele EU-Länder noch etwas skeptisch. Das versucht der Kreml jetzt mit einem Trick zu umgehen: Um einfacher an Zulassungen in Europa zu kommen, soll der Impfstoff künftig auch dort hergestellt werden. Das soll die Transparenz fördern.
Als erstes Land hatte Italien letzte Woche angekündigt, Sputnik V zu produzieren. Dabei spielt eine Tessiner Firma ganz vorne mit: Das Pharmaunternehmen Adienne mit Sitz in Lugano wird in seiner Produktionsstätte in der Lombardei das russische Vakzin herstellen.
Und die Schweizer Projekte?
Und was wurde eigentlich aus den Schweizer Projekten? Zu Beginn der Pandemie mischten drei vielversprechende Schweizer Impfstoff-Kandidaten ganz vorne mit. Doch keines davon hat es über die Ziellinie geschafft.
Ein Projekt des Inselspitals Bern scheiterte an sich selbst: Das Vakzin, welches sich gegen die Spike-Proteine auf der Oberfläche von Sars-Cov-2 richtete, war nicht mRNA-basiert. Es war in Aufbau und Herstellung zu komplex.
Dem zweiten Kandidaten des Basler Immunologen Peter Burkhard ging das Geld aus. Er klebte die Spike-Proteine des Coronavirus mit Nanopartikeln ab. Nachdem der Bund anfänglich Interesse signalisierte, sprach er aber dann doch kein Geld für das Projekt.
Der dritte Hoffnungsträger kam von einem Freiburger Start-up und basierte auf Liposomen. Es hätte eigentlich bereits im Juli in Produktion gehen sollen, doch der Prototyp konnte nicht wie gewünscht weiterentwickelt werden. Auch dieses Verfahren musste eingestellt werden.