Absage an Impfstoff-Fabrik des Bundes ärgert Bürgerliche
Der Bund hätte bei der Lonza eine eigene Impfstoff-Produktion aufziehen können. Parlamentarier regen sich auf, dass das Angebot ausgeschlagen wurde.
Das Wichtigste in Kürze
- Lonza hat dem Bund angeboten, eine eigene Impfstoff-Produktionsstrasse zu bauen.
- Aus rechtlichen Gründen sei man nicht darauf eingegangen.
- Parlamentarier lassen dies nicht gelten und reden von einer verpassten Chance.
Die Pharmafirma Lonza in Visp VS produziert für Moderna deren Impfstoff gegen das Coronavirus. Von wirtschaftlichen Faktoren abgesehen, hat die Schweiz nicht viel davon – der Impfstoff wird dorthin verkauft, wo Moderna will.
Allerdings soll Lonza angeboten haben, für 100 Millionen Franken eine «Schweizer» Produktionsstrasse zu erstellen. Dass der Bund nicht darauf einstieg, sorgt im Parlament für Kopfschütteln und Ärger.
SVP-Präsident Marco Chiesa sagt zu Nau.ch: «Wenn das stimmt, sind einige Personen entweder im BAG oder im Bundesrat am falschen Ort.» Die zuständigen Beamten müssten «zur Verantwortung gezogen» werden.
«Wir hätten unser Impfproblem lösen können und hätten unsere Unabhängigkeit gewahrt», ärgert sich Chiesa mit Blick auf die immensen Kosten des Lockdowns.
Mindestens so deutlich wird die FDP. Diese spricht in einem Communiqué bereits von einem «Impf-Gate». Alain Berset müsse den Hintergrund an der morgigen Pressekonferenz erklären.
Auch die parlamentarischen Gremien sollen gemäss FDP die Vorgänge untersuchen - «durch die GPK/GPDel, oder bei Bedarf durch eine PUK». Damit drohen die Freisinnigen bereits mit dem schärfstmöglichen Instrument.
«Eine verpasste Chance»
Der Bund begründet seine Zurückhaltung damit, dass es gar keine gesetzliche Grundlage gebe für staatliche Produktionsfirmen. Das sei ja wohl kein Hinderungsgrund, entgegnet Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel. Die Präsidentin der Gesundheitskommission erinnert daran, dass zahlreiche andere Gesetze wegen der Pandemie ebenfalls kurzfristig entschieden wurden.
«Es ist eine verpasste Chance», enerviert sich Humbel – eine zwar teure, aber lohnende Investition mit diversen Vorteilen. Nicht nur hätte die Schweiz schneller viel mehr Impfstoff zur Verfügung gehabt und Lockdown-Massnahmen verhindern können.
Sondern mittelfristig hätte auch Impfstoff im Rahmen der Covax-Initiative an Entwicklungsländer abgegeben werden können. «Es geht noch lange, bis die Weltbevölkerung geimpft ist.»
Zudem werde man auch künftig Produktionskapazitäten brauchen, nämlich dann, wenn Mutationen eine Anpassung des Impfstoffs nötig machen. «Ich gehe davon aus, dass es künftig wie bei der Grippeimpfung sein wird», sagt Humbel. «Denn so schnell wird man das Coronavirus nicht weg haben.»
Ist es noch nicht zu spät?
Das hiesse ja aber auch, dass der Bund reumütig doch noch auf den fahrenden Zug aufspringen könnte. Auch in Zukunft müssten für die Schweiz Millionen von Impfdosen gegen das Coronavirus produziert werden. «Das ist jetzt durch die Behörden und Epidemiologen abzuwägen, ob sich diese Investition noch lohnt», fordert Humbel.
Der Bundesrat lehnte es ab in Visp Impfstoff zu produzieren, weil eine Rechtsgrundlage fehlt (sagte der BR auch bei Impfapp). Grundrechte entziehen und Wirtschaft vernichten, aber ein kleines Gesetz anpassen nein. Für mich als Steuerzahler ein Skandal. pic.twitter.com/jHyOfq5M15
— Marcel Dobler (@Marcel_Dobler) March 11, 2021
«Wenn man sieht, wie viele Milliarden die Unterstützung der Wirtschaft kostet, dann würde es sich auf jeden Fall lohnen.» Andere wollen berechnet haben, dass eine Fabrik aus dem Boden zu stampfen weniger koste als ein einziger Tag Lockdown.
Schuldfrage schwierig zu klären
Während vielerorts der Eindruck erweckt wird, die für die Impfstoffbeschaffung zuständige Nora Kronig sei verantwortlich, relativiert Humbel die Schuldfrage. «Ich würde nie auf eine einzelne Person schiessen», betont sie. Sie gehe davon aus, dass solche Entscheide nicht von einzelnen Personen getroffen würden. Also sind die Chefs in der Pflicht – der Bundesrat.
«Der Bund hat zwar mit Moderna auf den richtigen Impfstoff gesetzt. Aber er hat offenbar nicht den Mut gehabt, rechtzeitig Unterstützung zu leisten, für eine eigene Produktionsstrasse für die Schweiz.» Andererseits hat auch Lonza offenbar nicht insistiert, lobbyiert oder anderweitig auf sich aufmerksam gemacht.