Coronavirus: Wie kritisch ist die Situation in den Spitälern?
Vor einem Monat setzte das Spital Schwyz einen Hilfeschrei ab: Die Corona-Entwicklungen seien schlimm. Das ist die aktuelle Lage in drei Schweizer Spitälern.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Spital Schwyz warnte vor einem Monat in einem Video vor der Corona-Entwicklung.
- BAG-Sektionsleiterin, Virginie Masserey, befürchtete eine Überlastung ab dem 8. November.
- Doch wie steht es jetzt wirklich um die Schweizer Spitäler?
Vor genau einem Monat wandte sich das Spital Schwyz mit einem Hilfeschrei an die Bevölkerung. In einem Video zeigten sich Chefs und Angestellte besorgt über die Entwicklung im Spital. Die steigenden Corona-Fallzahlen würden zu einer Überlastung führen, wenn die Bewohner nicht unverzüglich ihr Verhalten anpassen. Das Video ging viral, am Beispiel von Schwyz folgten auch andere Spitäler.
Knapp drei Wochen später äusserte sich Virginie Masserey, Leiterin der BAG-Sektion Infektionskontrolle, mit noch deutlicheren Worten: «Wenn es so weitergeht wie jetzt, sind die Intensivbetten in fünf Tagen voll.» Glücklicherweise war das aber nicht der Fall.
Doch hat sich die Situation nun bereits beruhigt? Nau.ch analysiert die Situation in den Kantonen Schwyz, Bern und Zürich. Die Daten zu der schweizweiten Auslastung der Intensivstationen kommen von dem ETH-Monitoring «Icumonitoring.ch». Die Fallzahlen sind vom Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Spital Schwyz: Beruhigung in Sicht?
Reto Nüesch, Chefarzt Innere Medizin, sagte im Videoaufruf vom 14. Oktober, dass die Situation «zunehmend schlimm» sei. 30 bis 40 Prozent der Personen seien im Corona-Center positiv auf das Coronavirus getestet worden.
Simon Weibel, Leiter der Pflege, sprach von einer vollen Pflegestation durch Corona-Patienten. Seither habe sich die Situation gebessert – sie bleibe aber angespannt.
Gemäss einer Medienmitteilung vom Donnerstag seien die Anzahl hospitalisierter Covid-19-Patienten leicht zurückgegangen. Die drei Beatmungsplätze auf der mit sieben Betten ausgestatteten Intensivstation seien jedoch ständig belegt. Herrsche eine Knappheit der Betten, so würden die Patienten auf eine Intensivbettenstation innerhalb der Zentralschweiz verlegt werden. Bei Bedarf könnte das Spital ebenfalls die interne Kapazität erweitern.
Trotz aufwendiger Betreuung der Patienten, könne derzeit sichergestellt werden, dass alle Mitarbeitende genügend Ruhezeiten haben. Zusätzlich hätten sie weiteres Personal rekrutiert, welches nun eingesetzt werden könnte.
Der Kanton Bern bereitet sich auf orangene Phase vor
Im Kanton Bern herrscht aktuell die gelbe Phase. Die Kantone geben den Spitälern Handlungsempfehlungen durch, schreiben ihnen aber noch nichts vor. «Alle Spitäler wurden letzte Woche informiert, dass die Vorbereitungen für die Phase Orange laufen», sagt Mediensprecher der Gesundheitsdirektion, Gundekar Giebel, gegenüber Nau.ch.
Heute seien 153 der 183 auch vor Corona bereits existierenden Intensivbetten belegt. Darunter 54 aufgrund einer Corona-Infektion. Dies ergibt eine aktuelle Auslastung von 83,6 Prozent.
Aber: Das Inselspital Bern hat die Zahl der Intensivbetten bereits verdoppelt – diese werden bei der kantonalen Analyse ausser Acht gelassen. «Im Inselsspital Bern gibt es derzeit 40 freie Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit. Im Ernstfall könnten wir diese auf 100 erweitern» sagt Adrian Grob, Mediensprecher des Inselsspitals Bern, im Gespräch mit Nau.ch
Derzeit würden rund 90 Covid-19-Patienten behandelt werden. Davon würden sich 15 auf der Intensivstation befinden. Diese Zahl könne sich jedoch schnell ändern. Deshalb sei es nicht möglich genaue Zahlen zur Auslastung der Intensivstationen der vergangenen Tagen zu publizieren.
Gemäss Grob nehme das Inselspital bereits Corona-Erkrankte aus der Westschweiz auf. Dort herrschen Engpässe in den Spitälern – Sanitätssoldaten sollen vor Ort Unterstützung leisten.
Personalproblem im Universitätsspital Zürich
Am vergangenen Dienstag informierte das Universitätsspital Zürich (USZ) bei einer Pressekonferenz über die aktuelle Lage. Erfreulich: Trotz einer steigenden Zahl von Covid-19-Patienten sei das Spital noch nicht am Anschlag.
Gabi Brenner, Direktorin der Pflege, warnte jedoch: «Die Patienten auf der Intensivstation sind wirklich schwer krank. Sie brauchen eine umfassende Therapie und Behandlung.»
Im Gegensatz zum Spital Schwyz herrsche beim Universitätsspital Zürich ein Personalmangel. Grund: Derzeit sind 94 Mitarbeiter in Quarantäne. Peter Steiger, Stv. Leiter Institut für Intensivmedizin, versicherte: «Wir schauen, dass das Personal genug Ruhephasen hat.»
Laut Brenner seien sie zuversichtlich, mithilfe verschiedener Massnahmen kommende Engpässe überbrücken zu können.
Coronavirus: Statistische Analyse der Situation schweizweit
Am 13. Oktober, einen Tag vor dem Hilfeschrei des Spitals Schwyz, wurden schweizweit 2693 neue Fälle gemeldet. Die Positivitätsrate lag bei 13,2 Prozent, 63 Hospitalisierungen wurden gezählt. Die Auslastung der Intensivstationen betrug 63,4 Prozent (676 Betten besetzt, 51 davon Coronapatienten).
Als Masserey bei einer Medienkonferenz mit ihrer Prognose die Bevölkerung aufrüttelte (am 3. November) sahen die Zahlen wie folgt aus: 9625 Corona-Neuinfektionen bei einer Positivitätsrate von 25,2 Prozent. Es kam zu 210 Hospitalisationen. Die Intensivstationen-Auslastung lag bei 70,6 Prozent (786 Betten besetzt, 366 davon Corona-Patienten).
Einen Monat nach dem Hilferuf, gestern am 13. November waren es 6739 Fälle, die Positivitätsrate belief sich auf 20,6 Prozent. Zudem wurden 262 neue Hospitalisierungen gemeldet. Die Intensivstationen-Auslastung belief sich (Stand Freitagmittag) auf 76,5 Prozent (872 Betten besetzt, 512 davon Corona-Patienten).
Was bedeutet dies nun? Gemäss den Zahlen der ETH hat die Auslastung der Intensivstationen durch Corona-Patienten zwischen dem 13.10 und 03.11 im Durchschnitt um rund 1,5 Prozent pro Tag zugenommen.
In den letzten zehn Tagen lag diese tägliche Zunahme durchschnittlich noch bei 1,2 Prozent. Dieser leicht geringere Anstieg könnte einen möglichen Kollaps der Spitäler verhindert oder zumindest verzögert haben.