Darum sind in der Schweiz so viele LKWs aus Litauen unterwegs
Die vielen LKWs mit litauischen Kontrollschildern auf Schweizer Autobahnen fallen auf. Dahinter stecken oft auch Schweizer Firmen.

Das Wichtigste in Kürze
- Auf Schweizer Autobahnen sind viele Lastwagen aus Litauen unterwegs.
- Ein Experte erklärt, weshalb so viele LKW gerade mit LT-Kennzeichen anzutreffen sind.
- Schweizer Unternehmen sind an dieser Entwicklung nicht unschuldig.
Wer auf Schweizer Autobahnen unterwegs ist, dem fallen sie auf: die vielen Lastwagen aus Litauen. Gefühlt kommt jeder zweite LKW mit ausländischem Kennzeichen aus dem Staat im Baltikum.
Und der Schweizer Autofahrer fragt sich: Warum?
Schliesslich gehört Litauen nicht zu den engsten Handelspartnern der Schweiz. LKWs aus Litauens Nachbarstaaten Estland oder Lettland sind praktisch nie zu sehen. Was also hat es mit den Lastwagen mit dem LT-Kennzeichen auf sich?
Die Frage der Kosten
Die Antwort kennt Dr. Leon Zacharias von der Universität St. Gallen. Er ist promovierter Projektmanager und Forschungsgruppenleiter für die Themen «Güterverkehr und Internationaler Handel».
Er sagt: «Litauen ist ein zentraler Akteur im europäischen Transportmarkt.»
Litauische Unternehmen wie Girteka gehörten zu den grössten Transportdienstleistern in Europa. Zacharias: «Diese Unternehmen bieten kostengünstige Logistiklösungen an, die häufig von Schweizer Unternehmen für den Import und Export genutzt werden.»

Wichtig hier: In der Schweiz gilt das sogenannte Kabotageverbot: Fahrten innerhalb der Schweiz, zum Beispiel von Genf nach St. Gallen, dürfen nur von Schweizer Logistikdienstleistern angeboten und durchgeführt werden.
Erlaubt ist Schweizer Firmen dagegen, ausländische Anbieter für Import und Export zu engagieren.
Lohnniveau in Litauen sehr viel tiefer als bei uns
Und diese Möglichkeit wird gerne genutzt. Denn: «Litauische Transportunternehmen können aufgrund der niedrigen Arbeitskosten Dienstleistungen deutlich günstiger anbieten als ihre Schweizer Pendants», sagt Zacharias.
Die Lohndifferenzen bestätigt André Kirchhofer, Vizedirektor des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands ASTAG: «Das Lohnniveau in Osteuropa ist sehr viel tiefer als in der Schweiz.»
Dazu kommt: Litauen ist ein EU-Staat und profitiert von offenen Grenzen. «Das schafft die Möglichkeit, internationale Transporte ohne Hindernisse durchzuführen», sagt Zacharias.
Ein weiterer Grund für die Berücksichtigung von litauischen Anbietern für Importe und Exporte von Schweizer Unternehmen ist die Effizienz: «Unternehmen wie Girteka betreiben riesige Flotten von rund 6'000 LKWs. Die Stückkosten sind pro Lastwagen entsprechend gering.»
Lohn schlechter – und die Arbeitsbedingungen?
Litauische Trucker verdienen deutlich weniger als ihre Schweizer Pendants – das war zu erwarten. Aber wie sieht es mit den restlichen Arbeitsbedingungen aus?
«Der litauische Fahrer muss Ruhepausen und Nachtfahrverbote genauso einhalten wie die restlichen Europäer», erklärt Zacharias. Weniger klar seien andere Faktoren wie die Nutzung der sanitären Anlagen oder die Verpflegung auf mehrtägigen Reisen.
In der Schweiz herrscht ein Mangel an Lastwagen-Fahrern. «Die Unternehmen in der Schweiz müssen ihre Angestellten daher deutlich zufriedener stellen als ein litauischer Arbeitgeber», erklärt Zacharias.
Schweizer Unternehmen als attraktive Arbeitgeber
Schweizer Transportunternehmen seien im Gegensatz zu früher attraktive Arbeitgeber, sagt Zacharias: «Die Logistiker bieten mittlerweile attraktive Arbeitsplätze, die sich auch hinsichtlich Bezahlung und Flexibilität sehen lassen können.»
Ob das in Litauen ebenfalls der Fall ist, kann nur schwer nachvollzogen werden. Zumindest, was den Lohn betrifft, gilt aber: Zwar verdienen die Fahrer deutlich weniger als ihre Schweizer Kollegen, ihre Lebenskosten sind in Litauen aber auch deutlich geringer.