Der Kanton bringt Sexualstraftätern besseres Verhalten bei
Der Kanton Zürich führt ein neues Lernprogramm für verurteilte Sexualstraftäter ein, um Rückfälle zu reduzieren.

Der Kanton Zürich schickt verurteilte Sexualstraftäter seit Anfang Jahr in ein Lernprogramm: Dort lernen sie, Risikosituationen zu entschärfen – etwa im Ausgang. Eine «offensive Flirt-Strategie» kombiniert mit viel Alkohol kann für Teilnehmer dieses neuen Lernprogramms durchaus ein Risiko sein. Weist eine Frau sie im Club ab, fühlen sie sich gekränkt – und können nach dem Motto «jetzt erst recht» übergriffig werden.
Im Lernprogramm mit dem Titel «DoLaS – Deliktorientiertes Larnprogramm für angepasstes Sexualverhalten» lernen die Männer, wie sie die Situation entschärfen können. Aus dem Club gehen und durchatmen sei der erste Schritt, sagte Martin Schiesser, Abteilungsleiter Lernprogramme bei Justiz und Wiedereingliederung (Juwe) am Donnerstag vor den Medien. Dann gehe es darum, die Freunde zu informieren. «Sie sollen ihn zurückhalten, wenn er distanzlos wird». Mit solch neuen Gewohnheiten soll die Rückfallgefahr bei Sexualstraftätern reduziert werden.
«Die meisten nehmen sich fest vor, dass sie kein Delikt mehr begehen», sagte Juwe-Leiterin Mirjam Schlup. Es sei aber klar, dass sie wieder in ähnliche Situationen geraten würden. «Wenn sich das Verhalten nicht ändert, wird wieder das Gleiche passieren».
Kein Ersatz für Strafe
In den alltagsnahen Trainings würden die Teilnehmer lernen, Ärger und Stress zu bewältigen, um für künftige Situationen besser gerüstet zu sein. «Lernprogramme sind aber kein Ersatz für die Strafe», stellte Schlup klar.
Auslöser für das neue Lernprogramm ist das neue Sexualstrafrecht, das seit Juli 2024 in Kraft ist. Dieses sieht ausdrücklich Lernprogramme für Sexualstraftäter vor. Voraussetzung ist, dass die Männer auf Bewährung sind, also entweder eine bedingte Freiheitsstrafe erhielten oder auf Bewährung draussen sind.
Nicht alle profitieren vom Programm
Nicht für alle Sexualstraftäter ist ein solches Programm jedoch das Richtige. Süchtige, Schizophrene und jene mit Störungen der sexuellen Präferenz brauchen eine andere Behandlung. Ein Lernprogramm ist keine Therapie.
Freiwillig ist die Teilnahme nicht. Staatsanwaltschaften und Gerichte können die Verurteilten dazu verpflichten, die 16 Abende im Gruppenraum zu verbringen. Auch ein Einzelsetting ist möglich, dann dauert das Lernprogramm 15 bis 20 Abende. Für alle gibt es zudem drei Nachkontrollgespräche.
Kosten und Prognosen des Programms
Die Kosten belaufen sich auf 3200 bis 4100 Franken pro Teilnehmer, je nachdem, ob er Gruppen- oder Einzelunterricht erhält. Juwe rechnet damit, dass rund 100 Teilnehmer pro Jahr hier neue Verhaltensweisen lernen. So genau wissen das die Verantwortlichen aber noch nicht. Das Programm laufe erst an.
Seit 25 Jahren bietet der Kanton Zürich Lernprogramme für Straftäterinnen und Straftäter an. Mittlerweile gibt es zehn verschiedene, unter anderem auch eines für Raser und eines gegen häusliche Gewalt. Dieses ist gemäss einer wissenschaftlichen Auswertung durchaus erfolgreich. Die Teilnehmer des Programms haben ein um 80 Prozent geringeres Risiko, rückfällig zu werden.