Deutlich mehr Opfer von Gewalt unter älteren Menschen
Vergangenes Jahr wurden 23 Prozent mehr Missbrauchsfälle und Misshandlungen an betagten Menschen gemeldet.
Das Wichtigste in Kürze
- 23 Prozent mehr Misshandlungen von Betagten wurden letztes Jahr gemeldet.
- Laut der unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter wird aber nur ein Bruchteil gemeldet.
Immer mehr ältere Menschen werden Opfer von Gewalt. Im vergangenen Jahr wurden bei der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (Uba) 23 Prozent mehr Misshandlungs- und Missbrauchsfälle gemeldet. Mehr als 300'000 Ältere sind jährlich betroffen.
Weniger als fünf Prozent von Misshandlungen und Missbrauch werden an Fachstellen gemeldet. Dies schreibt die Uba in einer Mitteilung vom Freitag.
Im vergangenen Jahr sei die Beschwerdestelle 604 Mal kontaktiert worden. Sie übernahm 382 Konfliktfälle und 99 Fälle mit Gewaltthematik zur Bearbeitung.
Mehr Meldungen seit Corona-Lockerungen
Was im Privaten geschehe, bleibe in Krisen- oder Pandemie-Zeiten noch öfter verborgen, warnt die Uba. Die Lockerung der Coronavirus-bedingten Bewegungseinschränkungen habe die Meldungen über Gewaltfälle aber wieder öfter möglich gemacht.
Die Aufklärungsarbeit bleibe wichtig, betont die Beschwerdestelle. Je mehr über das Thema berichtet werde, desto mehr Fälle würden gemeldet. Umso eher könne betroffenen älteren Menschen auch geholfen werden.
In 53 von insgesamt 99 Fällen waren die älteren Menschen laut Uba von Misshandlung und Missbrauch betroffen. In der Mehrzahl waren es Frauen über 80 Jahre. Mehrheitlich erfuhren die Betroffenen psychische Misshandlung wie Demütigung, Drohung, Liebesentzug, zermürbende Kritik, tagelanges Schweigen oder massive Vorwürfe.
Angehörige oft überfordert
Nicht immer geschehe die Misshandlung absichtlich, sie könne sogar mit guten Absichten geschehen. So zum Beispiel durch Überfürsorge, wie die Beschwerdestelle schreibt.
Aufhorchen lasse die Zahl von 46 Vernachlässigungen. Misshandlungen oder Vernachlässigungen von Betagten würden oft wegen Überforderung bei der Betreuung und Pflege durch Angehörige vorkommen. Denn die häusliche Betagtenbetreuung sei nicht immer eine freiwillig gewählte Tätigkeit. Sie werde zudem im Verlaufe der Zeit anspruchsvoller und oft ohne ausreichende Vorbereitung und Schulung ausgeführt.
Nicht immer ein Strafbestand
Und auch nicht immer handelt es sich gemäss Uba um eine akute Gewaltsituation. Nicht immer ist ein Eingreifen der Polizei notwendig oder liegt ein Straftatbestand vor. Bei zunehmender Abhängigkeit, veränderten Machtverhältnissen sowie Überforderung in Paarverhältnissen und Eltern-Kind-Beziehungen könne sich psychische Misshandlung schleichend entwickeln.
In solchen Situationen sei die Möglichkeit, sich an eine niederschwellige Anlaufstelle zu wenden, von grosser Wichtigkeit, betont die Beschwerdestelle. Hier könne vertrauliche Hilfe angefragt werden. Je früher dies geschehe, umso besser.