Fragen zum Urheberschutz und zur sozialen Absicherung werden für Kulturschaffende aufgrund der Digitalisierung dringlicher. Auch die KI wird zur Gefahr.
Die Digitalisierung lässt neue Sportarten entstehen: Hado, das virtuelle Völkerball, wurde vor Ort getestet. Foto: Gabriele Grießenböck
Die Digitalisierung bietet Kulturschaffenden unendlich viele Möglichkeiten - bringt aber auch Probleme mit sich. (Symbolfoto) - Community

Mit der Digitalisierung könnte sich die rechtliche und soziale Situation von Kulturschaffenden weiter verschlechtern. So sind einem neuen Bericht zufolge in der Schweiz Urheberrecht, Persönlichkeitsschutz und Sozialversicherungen ungenügend auf die Veränderungen ausgerichtet.

Künstlerinnen und Künstler müssen sich in einem zunehmend internationalen Umfeld behaupten, wie die Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung (TA-Swiss) in ihrem am Dienstag vorgelegten Bericht festhielt.

Kaum eine Kunst oder deren Verbreitung kommt heute ohne digitale Mittel aus, wie die Stiftung im über 500-Seiten starken Bericht betonte. So entstehen durch die Digitalisierung neue Ausdrucksmöglichkeiten und neue Möglichkeiten, Werke einem weltweiten Publikum zugänglich zu machen.

Soziale Medien müssen permanent bespielt werden

Die Vorteile digitaler Technologien seien allerdings nur mit zusätzlichem, oft von den Kulturschaffenden selbst getragenem, zeitlichem und finanziellem Aufwand zu haben. So würden soziale Medien wie Instagram oder Tiktok Kunst- und Kulturschaffende zwar eine neue Bühne schaffen, über die sie niederschwellig und gezielt ein Publikum ansprechen können.

Solarium
Künstler und Kulturschaffende müssen ständig die sozialen Medien bespielen, um sichtbar zu bleiben. (Symbolfoto) - Tiktok/MandiCat

«Sie müssen dafür aber permanent soziale Medien mit Content bespielen», sagte Nicolai Ruh von der Hochschule Luzern bei der Vorstellung des Berichts. Das sei auch psychisch eine Belastung. Kunstschaffenden, die diese Bühne nicht nutzten, drohe der Ausschluss vom kulturellen Markt, schrieben die Forschenden im Bericht.

Atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen zu

Zudem seien immer mehr Kulturschaffende in sogenannten atypischen Arbeitsverhältnissen tätig, mit häufig wechselnden Auftragsgebern oder in kleinen Pensen mehrfach beschäftigt. Die Sozialversicherungen seien für diese teilweise sehr internationalen Arbeiten in Projekten und auf sozialen Plattformen ungenügend ausgerichtet.

Ein Drittel der Selbstständigen im Kulturbereich verfüge über keine Altersvorsorge, betonte TA-Swiss im Bericht. Unter den Bedingungen der Digitalisierung dürfte sich die Lage der Kunstschaffenden weiter verschlechtern.

Hollywood Streik
Die Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood streikten 2023 auch wegen der Veränderungen, die die Digitalisierung für ihre Arbeit mit sich bringt. (Archivbild) - Jae C. Hong/AP

Gerade in der Auftragskunst stellten Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) ausserdem den Marktwert des Faktors Mensch in Frage, wie der TA-Swiss Bericht zeigt. Gezeigt habe dies der monatelange Streik von Schauspielerinnen und Schauspielern in Hollywood 2023. Sie hatten sich neben angemessenen Honoraren auch dafür stark gemacht, in Filmproduktionen nicht von digitalen Doppelgängern ersetzt zu werden.

Politik muss bessere Rahmenbedingungen schaffen

Um die Chancen digitaler Technologien zu nutzen, müssten politische Entscheidungsträger Kulturorganisationen und Kunstschaffende die Entwicklung aktiv begleiten, so TA-Swiss. Dafür müsse etwa in die Ausbildung von Künstlerinnen und Künstlern investiert werden. Dazu gehörten neben dem Beherrschen gewisser Werkzeuge auch Kompetenzen im Marketing oder im Rechtsbereich.

Ausserdem sollten laut der Studie rechtliche Grundlagen rascher und vor allem regelmässiger angepasst werden. In der Musik müsse insbesondere die Streaming-Frage gelöst werden.

Es sei an den Künstlerinnen und Künstlern, mit den neuen Technologien zu spielen und an der Politik, die Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich dies zugunsten der Kunst auszahle, sagte Martine von Arx von TA-Swiss.

An der Studie beteiligt waren neben der Hochschule Luzern, der Schweizerische Musikrat und der Think Tank Dezentrum. TA-Swiss hat den gesetzlichen Auftrag, die Folgen neuer Technologien abzuschätzen. Ziel ist es, Parlament, Bundesrat und der breiten Bevölkerungen Entscheidungsgrundlagen zu liefern.

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