Einsame Menschen sind anfälliger für Verschwörungstheorien
Menschen, die sich einsam fühlen, sind laut Studien anfälliger dafür, Verschwörungstheorien zu glauben. Ein Experte erklärt, warum das so ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Studien zufolge sind einsame Menschen anfälliger dafür, Verschwörungstheorien zu glauben.
- Sie erhalten dadurch ein «Gefühl der Zugehörigkeit», erklärt ein Experte.
- Das heisse aber nicht, dass alle Einsame «Hardcore-Verschwörungstheoretiker» werden.
Während der Corona-Pandemie erlebten Verschwörungstheorien einen Boom. Die Vorsitzende des deutschen Ethikrates, Alena Buyx, erklärt jetzt: Das hat auch etwas damit zu tun, dass viele in den Lockdowns sozial isoliert waren.
Denn: Menschen, die einsam sind, sind Studien zufolge anfälliger für Manipulation und extreme politische Überzeugung. Bis hin zu Verschwörungserzählungen. Das erklärt Buyx gegenüber dem «Deutschlandfunk».
In der Schweiz geben über ein Drittel der Bewohner gemäss einer Studie des Bundes an, sich manchmal einsam zu fühlen. 14 Prozent fühlen sich gemäss der letzten Gesundheitsbefragung sogar «ziemlich häufig oder sehr häufig einsam».
Sind also all diese Leute anfällig dafür, Verschwörungstheorien Glauben zu schenken?
Verschwörungs-Experte Marko Kovic stellt gegenüber Nau.ch klar: «Einsamkeit ist allgemein eine grosse gesellschaftliche Herausforderung. Nicht zuletzt, weil Einsamkeit Menschen krankmacht.»
Die Forschung zeige «recht konsistent, dass Einsamkeit, soziale Isoliertheit und das Gefühl von Ablehnung mit stärkerem Glauben an Verschwörungstheorien zusammenhängen».
Aber: «Das bedeutet nicht, dass alle Menschen, die sich einsam fühlen, automatisch zu Hardcore-Verschwörungstheoretikern werden.»
Man sollte sich «einfach bewusst sein, dass Einsamkeit und gesellschaftliche Ausgrenzung dazu führen können, dass sich Menschen bedenkliche Weltbilder aneignen». Dies, weil sie darin «so etwas wie Anschluss und Gemeinschaft finden», sagt Kovic.
«Gefühl der Zugehörigkeit»
Der Experte führt aus: «Menschen, die stärker Einsamkeit erleben, könnten sich zu Verschwörungstheorien hingezogen fühlen, weil sie damit ein Gefühl der Zugehörigkeit erhalten.»
Repräsentative Zahlen aus der Bevölkerung gebe es hierzu zwar nicht. Aber in experimentellen Studien zeige sich ein «leichter bis mittelstarker Zusammenhang».
«Steigt das Gefühl der Einsamkeit, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, an Verschwörungstheorien zu glauben», bringt es Kovic auf den Punkt. «Es ist nicht schwarz-weiss, sondern ein Zusammenhang mit Grautönen.»
Es gebe daher viele gute Gründe, etwas gegen Einsamkeit zu tun. «Indem wir dieses gesellschaftliche Problem abbauen, dürften Verschwörungstheorien auch weniger fruchtbaren Boden haben.»
Für Seniorinnen und Senioren, die sich einsam fühlen, wurde vom Verein Silbernetz Schweiz die Hotline «Mal reden» eingeführt. Co-Geschäftsleiterin Eve Bino erklärt: «Wir erleben einzelne Anrufende, die von Verschwörungstheorien erzählen. Aber wir können dies nicht auf die Einsamkeitsthematik zurückführen.»
Es sei aber ein aktuelles Thema, das die Gesprächspartnerinnen und -partner am Telefon beschäftige. Bino: «Wir haben unter anderem dazu eine Weiterbildung geplant.»