Fachkräfte fehlen: Kantone melden mehr Grüsel-Beizen

Rowena Goebel
Rowena Goebel

Solothurn,

Bauchweh nach dem Besuch in der Beiz – ein Risiko, das zunimmt. Nach wie vor fehlen Fachkräfte, und das führt zu mehr Hygienefehlern.

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Immer mehr Beizen schneiden bei der Lebensmittelkontrolle schlecht ab – vor allem in Bern. Abgebildet: Ein Berner Lebensmittelkontrolleur bei der Arbeit. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Gastrobranche fehlt es noch immer an ausgebildeten Mitarbeitenden.
  • Eine Folge: Die Hygiene in den Betrieben leidet.
  • In Bern, Solothurn, dem Baselbiet und auch leicht in St. Gallen nehmen die Meldungen zu.

Noch immer hat die Gastrobranche mit Fachkräftemangel zu kämpfen – das wirkt sich auch auf den Betrieb aus. Hie und da ist der Service einfach ein wenig schlechter. Doch teilweise wird es sogar gefährlich: nämlich, wenn die Hygiene vernachlässigt wird.

Tatsächlich haben immer mehr Lebensmittelbetriebe Mühe, die Hygienestandards einzuhalten: 2023 reichte die Berner Lebensmittelkontrolle doppelt so viele Strafanzeigen wegen gravierender Mängel ein wie im Vorjahr. 274 Fälle meldete der Kanton der Polizei, wie er mitteilt. 2022 waren es noch 140.

«Zehn Betriebe mussten geschlossen werden», heisst es weiter. Kantonschemiker Otmar Deflorin vermutet als Grund für die «ausserordentlich hohe Zahl» den Fachkräftemangel. «Steht weniger Personal zur Verfügung, wird oftmals zuerst bei der Hygiene gespart.»

Was Deflorin auch feststellt: Anordnungen, die Mängel zu beheben, wurden öfter missachtet als in Vorjahren.

Salmonellen in der Pfeffermühle

In Solothurn mussten 2023 zwei Beizen schliessen, weil sie die Gesundheit der Gäste gefährdeten, wie der Kanton mitteilt. Verglichen mit 2022 stieg die Arbeitslast der Lebensmittelkontrolle um 20 Prozent.

Grusig: In einem Fall gab es Hinweise darauf, dass Salmonellen Krankheitsausbrüche verursacht hatten. Eine Konsumentin war infiziert, bei vier weiteren bestand zumindest ein Infektionsverdacht.

Hast du dir schon einmal in einer Beiz eine Lebensmittelvergiftung geholt?

Definitiv nachgewiesen werden konnte das nicht. Ein Labor fand jedoch Salmonellen im Rapsöl, im Pfeffer aus der Mühle und in Chilischoten.

In anderen Betrieben gab es unter anderem Beanstandungen wegen Schmuck, Nagellack, Apérogebäck, Fleisch und Glacé. Kantonschemiker Martin Kohler spricht als Grund von einem «besorgniserregenden Fachkräftemangel».

«Gravierende Einzelfälle»

Auch im Baselbiet gab es 2023 mehr Beanstandungen in Lebensmittelbetrieben als im Vorjahr: Die Zahl stieg auf 53 Prozent. 2022 waren es noch 45, im Jahr zuvor 38 Prozent.

Die Zahl der Strafanträge ist von acht 2022 auf 14 im Jahr 2023 gestiegen. Auf Anfrage heisst es aber, die Zahl der Meldungen und Betriebsschliessungen seien über die Jahre «innerhalb der üblichen Schwankungen» konstant.

In St. Gallen betont man zwar, nicht mehr unhygienische Zustände festzustellen. Die Zahlen zeigen jedoch eine leichte Zunahme: 2023 waren 6,3 Prozent der Inspektionen ungenügend. Der langjährige Durchschnitt liegt bei nur fünf Prozent.

Im Thurgau ist zumindest «keine statistisch relevante» Zunahme zu beobachten. Es habe aber einige «gravierende Einzelfälle» gegeben, wie es auf Anfrage heisst.

Nach der Pandemie waren Beizen unhygienischer

In anderen Kantonen ist die Situation weniger auffällig. Aargau, Basel-Stadt, Luzern, Graubünden, Uri, Schwyz, Nid- und Obwalden betonen, nicht mehr unhygienische Zustände in Beizen festgestellt zu haben. Zug meldet bislang keine Zunahme, öffentlich sind aber nur Zahlen bis 2021.

Könntest du dir vorstellen, in einer Restaurant-Küche zu arbeiten?

Beim gemeinsamen Labor der beiden Appenzell und Schaffhausen heisst es auf Anfrage: «Nach der Pandemie sah die Situation kurzfristig etwas schlechter aus. Mittlerweile hat sich das Niveau aber wieder auf das Vor-Pandemieniveau eingependelt.»

Der Kanton Zürich hat 2023 fast 1000 Inspektionen mehr durchgeführt als im Jahr davor. Das Resultat: In 24 Fällen wurde ein grosses Risiko festgestellt, in 490 Fällen ein erhebliches Risiko. Im Vorjahr waren es weniger – im Verhältnis zu der Anzahl Inspektionen lässt sich aber keine Zunahme feststellen.

Selbst Profis haben «hie und da Mühe», Hygiene-Regeln einzuhalten

Den Zürcher Star-Gastronom Michel Péclard erstaunen die guten Zahlen aus seinem Kanton nicht. Ihm sei in Zürich kein Betrieb bekannt, der gegen die Hygienevorschriften verstösst. «Bei den rigorosen Kontrollen kann ich mir das auch fast nicht vorstellen.»

Auch er klagt jedoch über Fachkräftemangel. «Wir haben nach wie vor grosse Mühe, ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Das betrifft den Service, aber vor allem die Küche.»

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Der Zürcher Star-Gastronom Michel Péclard. - peclard.net

Die Branche müsse auf Hilfskräfte aus dem Ausland ausweichen, denen es an der Grundausbildung fehlt – «dazu gehört Hygiene». In Péclards Unternehmen, der Pumpstation Gastro, gibt es darum jetzt eine interne Kochschule.

«Ich muss aber schon sagen, dass die Hygienevorschriften in der Schweiz extrem hoch sind. Selbst die grössten und erfahrensten Profis bekunden hie und da Mühe, die Vorschriften zu 100 Prozent einzuhalten.»

Wichtig wäre es laut Péclard, die Lehre wieder attraktiver zu gestalten. «Uns fehlt der Nachwuchs», klagt er. «Meines Erachtens sind die Lehre und das Hygienegesetz zu komplex geworden. Man will zu viel – und dann wirds zu anspruchsvoll.»

Kommentare

User #5222 (nicht angemeldet)

Zuhause kochen, so bleibt man gesund 😁🍻

User #1224 (nicht angemeldet)

Für Alles und Jedes muss der Fachkräftemangel herhalten. Oder im Zweifelsfall kann man immer noch den Klimawandel heranziehen

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